Gelderland Der Hort der süßen Sehnsüchte

Gelderland · Kaugummi-Automaten waren die Renner in den 50er und 60er Jahren. Einige hängen immer noch. Zum Beispiel in Geldern. Michael Macheroux aus Wuppertal ist einer, der für Nachschub sorgt. Begehrt sind bunte Spielsachen.

 Michael Macheroux aus Wuppertal betreibt unter anderem in Geldern und Straelen Kaugummiautomaten. Dieser rote Automat, der in Geldern an einer Wand am Ostwall/Ecke Issumer Straße hängt, ist ein Relikt aus alten Zeiten.

Michael Macheroux aus Wuppertal betreibt unter anderem in Geldern und Straelen Kaugummiautomaten. Dieser rote Automat, der in Geldern an einer Wand am Ostwall/Ecke Issumer Straße hängt, ist ein Relikt aus alten Zeiten.

Foto: MVO

Damian ist erst zwei Jahre alt. Aber er weiß, was er will. Zielsicher zeigt er auf die rechte der vier Plastikscheiben mit buntem Allerlei dahinter. Sein Vater Ralf van Dalen wirft 50 Cent in den Zahlschacht des roten Kastens. "Ich habe früher ja auch gerne Kaugummi gegessen", sagt der Gelderner. Doch sein Sohnemann hält einige Sekunden später nichts Süßes zum Naschen in den Händen, sondern etwas zum Spielen. "Stretchy Yoyo" heißt das, vermutlich fernöstliche, Produkt, das in den nächsten Minuten die ganze Aufmerksamkeit des Dreikäsehochs fordert.

Ein Relikt aus längst vergangenen Kinderzeiten ist der rote Kaugummi-Automat, der in Geldern an einer Wand am Ostwall/Ecke Issumer Straße hängt. Gleiches gilt für den daneben platzierten silbernen Zweier-Apparat. Der sogar die Initialen des Pioniers der Kaugummi-Automaten in Deutschland zeigt: Lambertus Bernhardus de Jonge aus Duisburg. "Der hat die Automaten seit 1950 aufgestellt", weiß Michael Macheroux.

Der 40-Jährige aus Wuppertal ist Chef der Firma Macheroux Warenautomaten. Die ist seit 45 Jahren ein Familienunternehmen. Macheroux übernahm das Geschäft von seinem Vater. In Geldern ist er seit einigen Jahren für die Kaugummi-Automaten des verstorbenen de Jonge zuständig. Doch er ist nicht der einzige, der für Kaugummi- und anderen Nachschub sorgt. Gleich um die Ecke befindet sich ein blau-roter Zweier-Automat, der zum Bergischen Automaten Service (BAS), ebenfalls aus Wuppertal, gehört.

Mindestens 1000 Automaten sind laut Macheroux nötig, um davon leben zu können. Der kleinste Aufsteller in Deutschland hat seines Wissens 100, der größte 25 000 Automaten. Wie viel er hat, möchte er nicht verraten. Nur, dass er beruflich lieber auf mehrere Standbeine vertraut. Er ist eigentlich Garten- und Landschaftsbauer. Zwei Kaugummi-Automaten besitzt er in Geldern, neben dem am Ostwall noch einen an der Vernumer Straße.

Alle zehn bis zwölf Wochen begibt sich Macheroux mit seinem grauen Lieferwagen auf Kontrolltour und tauscht Box gegen Box aus. Das geht fix. Aus einem großen Schlüsselbund sucht er sich den richtigen aus. "Jeder Apparat hat seinen eigenen Schlüssel." Nicht nur das Schloss ist zu öffnen, auch muss er mit einem Inbus-Schlüssel zwei Schrauben lösen. Nach dem Abnehmen der Frontplatte lassen sich die Boxen schnell herausnehmen beziehungsweise mit neuem Sortiment hineinstellen. Macheroux: "Vor Ort zu säubern und zu befüllen, das ist zu aufwändig."

Auch verklemmte und blockierte Mechaniken lassen sich unterwegs schwerlich reparieren. Deshalb wird alles komplett gewechselt. Ob ausschließlich Kinder und Jugendliche sich was für 20 Cent, 50 Cent oder einen Euro ziehen, weiß Macheroux nicht. Wohl aber, dass besonders die hinter den Scheiben lagernden Spielsachen beliebt sind. LED-Leuchtbälle und Flummies zum Beispiel, Morgensterne am Band, Voodoo-Püppchen und Totenköpfe.

Der Standort macht viel aus. "Früher kamen die Kinder zu den Kaugummi-Automaten. Heute kommen die Automaten zu den Kindern", sagt der Wuppertaler. Die Automaten sollten an Schulwege oder an Spielplätzen postiert werden.

Doch für den Hit aus den 50er und 60er Jahren wird es immer schwieriger. "Kaugummi-Automaten passen nicht mehr ins Bild", vermutet Macheroux. Es sei schwierig genug, den Bestand zu halten. Nach einer Fassadenumgestaltung etwa verzichteten 99 Prozent der Hauseigentümer darauf, den Kasten wieder anzubringen.

Bis vor gar nicht langer Zeit konnte man sich auch aus einem Macheroux-Automaten vor der Adelheid-Kirche bedienen. "Ich hatte die Genehmigung der Kirche", berichtet Macheroux. Doch als der Sakral-Bau zum Adelheid-Haus umgestaltet wurde, versetzten Bauarbeiter den Vierer-Kaugummispender offensichtlich vom Kirchengrundstück auf den öffentlichen Bürgersteig. Da klebte die Stadt alsbald ein "Bitte entfernen"-Schild an den Kasten, was Macheroux wiederum wegen seiner langen Tourzyklen nicht mitbekam.

Wobei die Stadt es offenbar auch nicht für nötig befand, Macheroux unter seiner auf dem Automaten vermerkten Telefonnummer zu informieren. Jedenfalls fand er das gute Stück wieder: im Müllcontainer des Bauhofs.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort