Geldern Der Köln-Mindener-Bahn auf der Spur

Geldern · Im Barbaraviertel in Geldern finden sich Relikte aus der Zeit, als es dort noch einen Bahnhof gab. Im Jahr 1913 kam da auch der Kaiser Wilhelm II an. Vor 50 Jahren fuhr auf dieser Strecke der letzte Güterzug nach Straelen.

 Das Bahnhofsgebäude der Köln-Mindener-Bahn in der Frühlingssonne (oben). Im Bild rechts ein historisches Bild vom rechtsrheinischen Bahnhof.

Das Bahnhofsgebäude der Köln-Mindener-Bahn in der Frühlingssonne (oben). Im Bild rechts ein historisches Bild vom rechtsrheinischen Bahnhof.

Foto: bimo/Foto: K. Welter

"Wie Sie sehen, sehen Sie nichts", schießt es einem durch den Kopf. Eigentlich liegt da nicht mehr als Straßenpflaster. Walter Schmitt sieht mehr. Die Pflastersteine folgen einem gewissen Muster. "Hier ist ein Gleis, da das andere Gleis", sagt er und geht mit großen Schritten voran, mitten auf den Gleisen, wenn sie denn noch da wären. "Wo die Schienen lagen, das wollte man in Erinnerung halten", sagt Schmitt und weist auf die parallel laufenden Steine hin, die schnurgerade durch einen Teil des Barbaragebiets laufen. Heute befinden sich rechts ein paar Geschäftslokale und links der Edeka-Markt im Barbaragebiet.

"Hier war regelrecht Bahnbetrieb", sagt Walter Schmitt. Das ist allerdings ein Jahrhundert her. Schmitt holt einen Plan aus dem Jahr 1889 hervor. Es gab zwei Gütergleise und zwei für den Personenverkehr. Am Köln-Mindener-Bahnhof kam alles an, was aus dem westfälischen Raum kam. Am 4. Juni 1913 fuhrt dort auch Kaiser Wilhelm II. aus Berlin ein. "Da hat Beterams noch mehr als 1000 Palmen besorgt. Der ganze Bahnhof war ein Palmenmeer", beschreibt der Gelderner den denkwürdigen Tag.

 Altes Telefon des Streckenwärters an der Straße Köln-Mindener-Bahn.

Altes Telefon des Streckenwärters an der Straße Köln-Mindener-Bahn.

Foto: bimo

"Der Kaiserzug war ein kleiner Palast auf Rädern, mit Küche, Schlafzimmer, Bediensteten." Um pünktlich in Geldern anzukommen, musste der Tross von zwei Lokomotiven gezogen werden. "Das muss man sich mal vorstellen, was das für ein Zug war." Bei dem Spaziergang durch das Barbaraviertel sind es diese Anekdoten, die wieder aufleben. Oft sind es auch ganz persönliche Geschichten, wie die von Günter Bockstegers. "Ich seh' das noch mit ganz anderen Augen, weil ich hier groß geworden bin", sagt der 80-Jährige. Wo heute Parkbuchten auf der Straße Köln-Mindener-Bahn stehen, wuchsen Kastanien, die in seiner Jugend wunderbare Kletterbäumeabgaben. "Hier war eine große Freifläche. Da haben wir Fußball gespielt", sagt er mit Blick auf die Straße. "Zu der Zeit gab es Straßenmannschaften." Aber keine richtigen Bälle. "Sondern Stoffbälle, aus Lumpen", erinnert sich Bockstegers. "Identitätstiftend", nennt Hejo Eicker den Rundgang und die damit verbundenen Erinnerungen. Die Leute sollen ins Gespräch kommen über ihr Viertel und die Besonderheiten und vor allem Schönheiten entdecken. Das hat sich der Geschichtskreis der Bürgerinitiative Barbaraviertel (Bib), zu dem Schmitt und Eicker gehören, zum Ziel gesetzt.

Dann steht man endlich vor dem großen, ehemaligen Bahnhofsgebäude. Schmitts Großvater hat dort im Obergeschoss gewohnt. Er war Bahnhofsvorsteher. Später wohnte dort Schmitts Onkel. Wo früher Karten für den Zug verkauft wurden, sind heute Wohnungen. Am 28. März 1967 fuhr übrigens der letzte Güterzug über die Strecke der Köln-Mindener-Bahn in Geldern ein. Der Personenverkehr war schon längst eingestellt. Der Köln-Mindener-Bahnhof stand immer in Konkurrenz zu dem Rheinischen Bahnhof, den es heute noch in Geldern gibt. "Die Bahngesellschaften waren sich spinnefeind", sagt Schmitt. Deswegen ist es auch nie zu einer von der Stadt Geldern forcierten Zusammenlegung beider Bahnhöfe zu einem Zentralbahnhof gekommen. Die Köln-Mindener-Bahn verschwand aus Geldern. Erhalten ist aber noch die alte Wasserstation, die am Anfang der Straße Köln-Mindener-Bahn steht, allerdings kaum mehr als solche zu erkennen ist. Daraus ist ein schmuckes Wohnhaus geworden. Auf der Strecke, ein bisschen versteckt zwischen Grün, ist auch noch ein altes Streckentelefon zu sehen. Der metallene Kasten hat ein wenig Rost angesetzt, aber wenn Schmitt davon erzählt, wie wichtig das Telefon war, um sich über das Öffnen und Schließen der Schranken zu informieren, dann wird das im Kopf wieder lebendig.

 An der Art der Pflasterung ist der Gleisverlauf erkennbar.

An der Art der Pflasterung ist der Gleisverlauf erkennbar.

Foto: bimo

"Für die Entwicklung des Barbaragebiets hatte der Bahnhof große Bedeutung", sagt Eicker. Manche Eigenheit ist daraus entstanden, zum Beispiel musste der Verlauf des Neufelder Wegs verlegt werden, weiß Anwohner Harald Prehm. Deswegen ist es für Nicht-Kenner des Gebiets gar nicht so leicht, sich auf dem Neufelder Weg zurechtzufinden. Wer sich mit dem Geschichtskreis des Bib auf die Suche begibt, der wird die Spuren auch finden, die die Köln-Mindener-Bahn hinterlassen hat.

(RP)
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