Geldern Der lange Weg zurück in die Freiheit

Geldern · Thomas Bartels arbeitet seit Anfang des Jahres in der Strafentlassenenhilfe der Caritas in Geldern. Er bereitet Strafgefangene auf ein Leben außerhalb der Gefängnismauern vor.

 Sozialpädagoge Thomas Bartels hält engen Kontakt mit den Strafentlassenen und hilft ihnen bei Problemen, die sich nach der Haftentlassung ergeben.

Sozialpädagoge Thomas Bartels hält engen Kontakt mit den Strafentlassenen und hilft ihnen bei Problemen, die sich nach der Haftentlassung ergeben.

Foto: Tobias Kleinebrahm Caritas

Es ist ist April, als Viktor (37) zum ersten Mal wieder in Freiheit ist. Der Weg in die Freiheit ist nur ein paar Schritte lang. Durch die Sicherheitsschleusen, an der Pforte vorbei bis vor die Mauer der Justizvollzugsanstalt (JVA) Pont. Doch der eigentliche Weg in die Freiheit, zurück in die Welt da draußen, ist viel länger. Nur mit einer Handvoll Sachen und seinem Papagei Jasha verlässt Viktor die Haftanstalt. An seiner Seite Caritas-Mitarbeiter Thomas Bartels, der ihn auf den ersten Schritten in sein neues Leben begleitet.

"Ich hatte Angst und wusste nicht, wohin ich gehen soll", erinnert sich Viktor. Fünf Jahre lang hatte er in Pont hinter Gittern gesessen. "Um 6 Uhr ging die Zellentür auf, und es gab Frühstück. Um 12 Uhr ging die Tür auf, und es gab Mittagessen. So ging das jeden Tag. Alles war organisiert, man musste sich um nichts kümmern", erinnert er sich.

 Der Schriftzug "Sehnsucht" steht auf der Außenmauer des Ponter Gefängnisses.

Der Schriftzug "Sehnsucht" steht auf der Außenmauer des Ponter Gefängnisses.

Foto: Kleinebrahm

Als der Tag der Haftentlassung schließlich näher rückt, spürt er keine Erleichterung - im Gegenteil. "Ich war verzweifelt, wusste nicht, was ich nun tun muss", sagt Viktor. Nur zurück zu seiner Familie und in sein altes Umfeld nach Bonn wollte er nicht. Durch den Tipp eines Sozialarbeiters der JVA kam er schließlich in Kontakt mit Thomas Bartels, der seit Jahresbeginn für die Caritas in der Strafentlassenenhilfe in Geldern tätig ist. Gemeinsam mit dem Bistum Münster konnte dieser Dienst neu ausgerichtet und aufgebaut werden.

So wie im Fall von Viktor versucht Thomas Bartels schon Monate vor der Haftentlassung, eine Vertrauensbasis zu den Klienten aufzubauen - sofern sie seine Hilfe in Anspruch nehmen möchten - und erarbeitet mit ihnen eine Perspektive für das Leben nach der Entlassung. Dabei geht es zunächst um ganz profane Dinge und viel Papierkram. Nicht selten benötigen die Strafentlassenen einen neuen Ausweis, weil der alte abgelaufen ist. Sie brauchen eine neue Krankenversicherung, müssen sich beim Jobcenter melden und vieles mehr.

Allein mit Viktor ist Thomas Bartels zwei Tage lang unterwegs, um alle Formalitäten für die Krankenversicherung zu erledigen. "Mit so viel Papierkram sind Menschen, die gerade aus der Haft kommen, überfordert. Da ist die Gefahr groß, dass sie einfach den Kopf in den Sand stecken, und alle Probleme gehen vom vorne los", sagt er. Hinzu kommt die Suche nach Wohnraum, um nicht als Obdachloser auf der Straße zu landen. Für die Klienten selbst ist es aus der Haft heraus praktisch unmöglich, eine Wohnung zu finden.

Die Caritas hat für solche Fälle eine kleine Apartmentwohnung angemietet, die Strafentlassenen als Übergangswohnung zur Verfügung steht. Hier kommt auch Viktor zunächst unter. In dieser Zeit ist Thomas Bartels Organisator, Fahrer, Mutmacher und Psychologe in einer Person. "Jeder Haftentlassene bringt auch ganz persönliche Baustellen mit", sagt Bartels. Zum Beispiel die Kontaktanbahnung mit den eigenen Kindern oder das Verhältnis zur eigenen Familie. Auch hier versucht er zu unterstützen.

Die Jobsuche, ebenfalls ein wichtiges Thema in der Strafentlassenenhilfe, verläuft bei Viktor fast reibungslos. In der JVA hat er eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker gemacht und mit der Note "sehr gut" abgeschlossen. Schon vier Wochen nach der Haftentlassung findet er einen Job in Alpen, ebenfalls ein wichtiger Baustein zu einem geordneten Leben in Freiheit. "Ohne Hilfe schafft das keiner", sagt Viktor über seinen Schritt in die Freiheit. "Ich habe so viele gesehen, die aus dem Gefängnis entlassen wurden und nach drei Monaten wieder da waren."

Entsprechend dankbar sei er, jemanden getroffen zu haben, der ihn versteht und ihm eine Chance gibt. "Ich habe immer im Hinterkopf: Da ist jemand, der für mich da ist. Das gibt mir viel Kraft", sagt Viktor. Heute ist der 37-Jährige zuversichtlich, dass sein Leben in Freiheit gelingt.

(RP)
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