Geldern Der Wandel: Vom Soldat zum Heiligen

Geldern · Die Kapellener erzählen den Kindern bei ihrem St. Martinszug die Geschichte um den Namensgeber des Festes historisch korrekt. Die Zugteilnehmer sehen Hajo Bier erst in Rüstung, später im Bischofsgewand. Alles an einem Abend.

Geldern: Der Wandel: Vom Soldat zum Heiligen
Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

Der gleiche Mann, zwei Mal anders, das erleben die Besucher des St. Martinszuges in Kapellen. Am Wohnzimmerschrank von "St. Martin" Hajo Bier hängt das Gewand eines römischen Soldaten, aus Leder, mit einem großen, goldfarbenen Emblem auf der Brust. Kapellen hat aber erst seit vergangenem Jahr ein eigenes Soldatengewand. Früher wurde das ausgeliehen, die Geschichte beginnt nämlich viel früher.

"In grauer Vorzeit gab es in Kapellen eine Abstimmung darüber, ob die Kapellener den St. Martin als Bischof oder als Soldaten beim Zug sehen möchten", beginnt Martinsdarsteller Bier. 80 Prozent waren für den Bischof. Deswegen war der St. Martin vier Jahre lang im Kostüm des Bischofs unterwegs und ein Jahr als Soldat. "Ich fand das aber komisch, wenn die Kinder sangen ,in seiner Rechten blitzt das Schwert' und ich saß als Bischof auf dem Pferd", sagt Bier über erste Sinneswandelungen. Irgendwas passte da nicht zusammen. Außerdem störte beim Überreichen der Tüten der lange weiße Bart des Bischofs, und als Soldat habe er für manches Kindergartenkind regelrecht furchterregend gewirkt, erinnert sich der Kapellener. Die Experimentierfreude war geweckt. Als nächstes ritt ein Martinsdarsteller als Soldat zum Kloster St. Bernardin, teilte den Mantel und verschwand in einer der verwinkelten Gassen. Gleichzeitig stand Hajo Bier bereit und schwang sich als Bischof aufs Pferd. Mittlerweile vollzieht er den Rollentausch vom Soldaten zum Heiligen öffentlich. Georg Dahlhaus ist der Sprecher aus dem Off, der erklärt, was geschieht. An Faszination hat der St. Martin nichts verloren, im Gegenteil. "Kinder sind offen fürs magische Denken, vor deren Augen können sich Menschen verwandeln." Das geschieht Stück für (Kleidungs-)Stück. Helm und Schwert werden gegen den Bischofsstab eingetauscht. Die lederne Robe wird zugunsten der weißen Albe und dem Bischofsmantel abgelegt. Mittlerweile helfen drei Zofen, Mütter, dabei, dass St. Martin die alte Kleidung des Soldaten ablegt und das neue Gewand des Bischofs anlegt.

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Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

"Nachher ist er ein ganz anderer", sagt Dahlhaus. Ihn erinnert das sehr an die Worte aus der Bibel, aus dem Epheserbrief. "Legt von euch ab den alten Menschen...und zieht den neuen Menschen an", heißt es da. "Das passt zum Martinsgeschehen", sagt Dahlhaus. "Als junger Mann ist er zum Soldaten verpflichtet worden, durch ein einschneidendes Erlebnis ist er ein ganz anderer geworden." Dahlhaus taucht tiefer ab in die Geschichte und das Seelenleben des jungen Martin. "Versetzen Sie sich in den Martin, der kommt nach der Mantelteilung in die Kaserne, bekommt eine Arreststrafe von drei Tagen wegen Beschädigung von Militäreigentum und wird von den anderen gehänselt." Die Mantelteilung, die war kein soldatisches Handeln, da war kein Befehl, nennt Dahlhaus den entscheidenden Schritt des Soldaten hin zu einem neuen Leben. "Von Stund' an war er ein anderer", zitiert Dahlhaus aus der Martinsgeschichte. "Martin blieb der bescheidene Mensch", sagt Dahlhaus und erzählt die Geschichte von den "Martinsgänsen", die das Versteck Martins durch ihr Schnattern verraten. Martin drückte sich davor, zum Bischof gewählt zu werden, er wollte der bescheidene Mönch bleiben.

Heute erleben Kinder und Erwachsene die gesamte Geschichte chronologisch im Schnelldurchlauf an einem Abend. "Mit dem Verändern, das können wir schön verdeutlichen", sind sich Bier und Dahlhaus einig. "Man kann sich natürlich äußerlich verändern, genauso aber auch innerlich, in seiner Meinung anderen gegenüber", ergänzt Dahlhaus. Das passiert auch mit Martin, dem Soldaten. Und damit ist es nicht nur eine Geschichte, die Kinder anspricht.

(RP)
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