Stadtwerke Geldern Präsentieren Verschwundene Orte (11) Die alte Mädchenvolksschule Gelderns

Geldern · Die Herzogstadt hat eine bewegte Schulgeschichte. Über 100 Jahre war Raumnot ein bedrängendes Thema. Kurze Abhilfe schaffte der Bau einer Schule an der Kapuzinerstraße. Die ehemalige Schülerin Karine Gamerschlag erinnert sich.

 Das Gebäude der Mädchenvolksschule an der Kapuzinerstraße. Vor der Schule zu sehen sind Karin und Tilmann, die Kinder von Heinz Bosch. Das Foto entstand um 1969, drei Jahre vor dem Abriss des Schulgebäudes.

Das Gebäude der Mädchenvolksschule an der Kapuzinerstraße. Vor der Schule zu sehen sind Karin und Tilmann, die Kinder von Heinz Bosch. Das Foto entstand um 1969, drei Jahre vor dem Abriss des Schulgebäudes.

Foto: Heinz Bosch

Geldern Als der Ostwall noch eine Allee war, gingen die katholischen Mädchen dort zur Schule. Die stand direkt an der Kapuzinerstraße, etwa in der Höhe, wo es zur Breestraße reingeht und trug ab 1951 den klangvollen Namen St.-Franziskus-Schule. Karine Gamerschlag kann sich noch an das große, dunkle Gebäude erinnern. 1956 ist sie dort eingeschult worden. Zu sehen ist heute von der Schule nichts mehr. An gleicher Stelle steht heute ein Erweiterungsbau der Berufsschule, der nach dem Umzug der Berufsschule an den Nierspark nicht mehr genutzt wird.

Gebaut wurde die Mädchen-Volksschule 1903. Der Schulbericht 1899/1900 kam zu dem Ergebnis, dass der Neubau einer Mädchenschule dringend erforderlich sei. Wir drehen die Zeit aber noch ein bisschen zurück. Im Jahre 1851 betrug die Klassenstärke 132 Kinder in der katholischen Elementarschule. Die Prioritäten waren damals anders gesetzt. Sechs Stunden Religionsunterricht standen pro Woche auf dem Plan, aber nur fünf Stunden waren für Rechnen vorgesehen. "Sämtliche Schüler sprechen Hochdeutsch" wurde am 14. Januar 1868 als Erfolgsmeldung verbucht.

Mit der neuen Mädchenvolksschule sollte mehr Platz für die vielen Schüler geschaffen werden. Nach und nach mauserte sich Geldern zur Schulstadt. "Das stattliche Gebäude mit ausgedehntem Spielplatz enthielt acht Klassenräume und ein Lehrerzimmer" heißt es im Buch "Illustrierte Geschichte der Stadt Geldern" von Heinz Bosch. Auch er ging dort zur Schule. Der Grund? "1938/39 war zu wenig Schulraum, da waren wir dort für ein halbes Jahr untergebracht", sagt der Stadthistoriker. Die Jungs waren also mitten unter Mädchen. Ob das spannend war? Heinz Bosch lacht. "Nee, da dachten wir noch nicht dran, an Mädchen", sagt er.

Das Thema Raumnot zieht sich wie ein roter Faden durch die nächsten Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Mädchenvolksschule im April 1949 wieder eröffnet, die Volksschulkinder gingen schichtweise zur Schule und nutzten die acht Räume der Mädchenschule. Entzerrung gab es erst, als die Jungenschule in der Dammertstraße (heute Hülser-Kloster-Straße) wiederaufgebaut wurde. Dann ging es Schlag auf Schlag. Am 23. Dezember 1951 wurde die St.-Michael-Schule eingeweiht, am 1. Oktober 1955 war die feierliche Eröffnung der evangelischen Volksschule, Albert-Schweitzer-Schule genannt.

Die Jungs und die evangelischen Schüler waren also gut verteilt. Nach 1955 gab es allerdings immer noch Raumnot in der St.-Franziskus-Schule. Die erste Klasse wurde geteilt, die erste Gruppe Schüler erhielt von 8 bis 10.30 Uhr Unterricht, die zweite Gruppe von 10.30 bis 13 Uhr. "1956 wurde noch mehr Schichtunterricht eingesetzt, der zu kritischen Fragen im Stadtrat führte", heißt es im Buch von Heinz Bosch. Doch zunächst fehlte das Geld für den Bau einer weiteren Volksschule. 1962 drängten 1266 Schüler in die Gelderner Volksschulen. Am 24. Oktober 1962 wurde die elfklassige Mädchen-Volksschule St. Adelheid an der Friedrich-Spree-Straße eingeweiht. Außerdem wurden 1963 die St.-Michael-Schule und die Albert-Schweitzer-Schule erweitert. Alles Volksschulen wohlbemerkt, die Unterteilung in Grundschule und Hauptschule erfolgte erst 1968.

Dann wird es komplizierter. Die katholischen Mädchen gingen ab sofort in die Adelheid-Schule. 1963 zog die Sonderschule (hieß damals noch Hilfsschule) in das alte Gebäude der alten Mädchenschule an der Kapuzinerstraße ein. 1967 wurde die Schule für Schüler mit Lernbehinderung am Haagschen Weg in Angriff genommen. Mit der Eröffnung 1969 zog auch gleich der Name "Franziskus-Schule" mit zum Haagschen Weg.

Nach dem Umzug der Sonderschule auf den Haagschen Weg stand das Gebäude leer und wurde 1972 abgerissen. Das prächtige Gebäude ist verschwunden. Karine Gamerschlag erinnert sich noch gut an ihre Einschulung 1956 und dass sie in der ersten Woche in Begleitung des Lehrmädchens aus dem Büro ihrer Eltern zur Schule ging. Die Eltern hatten die Polsterei Gamerschlag am Ostwall. "Der Überlieferung nach war ich angeblich sehr freiheitsliebend und wollte nicht zur Schule", sagt die Geldernerin und schmunzelt. Dann war da noch der Handarbeitsunterricht mit einer ganz eigenen Geschichte. "Meine Freundin saß im Handarbeitsunterricht auf ihrer Arbeit und musste am Ende der Stunde feststellen, dass sie das Deckchen an ihren Rock festgestickt hatte", berichtet Karine Gamerschlag. Und ihre sehr liebe Lehrerin Frau Heuvens habe sie auch nicht vergessen und oft noch in Geldern angetroffen. Am Ende war die Schulzeit dann doch nicht so schlimm.

(RP)
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