Geldern Die Berufswelt öffnet sich für Flüchtlinge

Geldern · Immer mehr Unternehmern helfen Asylbewerbern dabei, Fuß zu fassen. Verschiedene Projekte zeigen, wie Integration gelingen kann.

 Probat-Chef Wim Abbing mit Omid Haidari, der im nächsten Jahr eine Ausbildung bei Probat beginnen wird.

Probat-Chef Wim Abbing mit Omid Haidari, der im nächsten Jahr eine Ausbildung bei Probat beginnen wird.

Foto: Markus van offern

Als im Herbst vergangenen Jahres immer mehr Menschen nach Deutschland flüchteten, war für Wim Abbing klar: "Wir müssen etwas tun." Der Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Ruhr-Niederrhein und Chef der Probat-Werke sah auch die Unternehmen in der Pflicht, einen Beitrag zur Integration zu leisten. Für seine Idee, mit ortsansässigen Firmen ein Netzwerk zu schaffen, das Flüchtlingen hilft, hier Fuß zu fassen, konnte er vier weitere Chefs Emmericher Unternehmen - Katjes, Deutsche Gießdraht, Kao Chemicals und Convent - begeistern. Das Unternehmensnetzwerk "Gemeinsame Integration" war geboren.

Der Gedanke dahinter: Mitarbeiter der Unternehmen geben Flüchtlingen Sprachunterricht im Betrieb. Außerdem werden Praktika angeboten. Sie dienen als Vorstufe zu weiteren Qualifizierungsmöglichkeiten, die die Perspektive ermöglicht, langfristig in den Arbeitsmarkt eingebunden zu werden.

Mittlerweile ist gut ein Jahr vergangenen. Und aus der Idee Wim Abbings ist eine Erfolgsgeschichte geworden. Zu dem anfänglichen Firmen-Quintett sind mit Setter, Q-Railing, den Stadtwerken und der BLG noch vier weitere Unternehmen dazugestoßen. Unterstützung gibt es von der Stadt Emmerich, dazu läuft auch eine Kooperation mit dem Theodor-Brauer-Haus. Vor allem aber hat sich die überwiegende Mehrzahl der Flüchtlinge, die in den Genuss des Projektes gekommen sind, gut geschlagen. So gut, dass Probat und Katjes dafür eigens zwei bis drei zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen werden. "Es ist einfach schön zu sehen, dass Menschen, die vor wenigen Monaten nur rudimentäre Deutschkenntnisse besaßen, jetzt zusammen mit unseren Azubis in der Berufsschule sitzen. Das spricht für ihre Motivation", freut sich Wim Abbing.

Auch die Firma Mercedes Herbrand aus Kevelaer hat Asylbewerbern eine Chance gegeben und damit gute Erfahrungen gemacht. "Unsere Flüchtlinge sind pünktlich, hilfsbereit, lernbegierig und vor allem zuverlässig", hatte Daniel Hennig, Kaufmännischer Leiter von Mercedes Herbrand, vor kurzem bei einer Veranstaltung der Kreis-Wirtschaftsförderung erläutert. Sieben Menschen mit Flucht- und Asylhintergrund hat Herbrand eingestellt Auch wenn die angebotenen ausbildungsbegleitenden Hilfen immer wieder notwendig seien - beispielsweise für den Erwerb von Deutschkenntnissen - so bleibe unterm Strich: "Es klappt super."

Zur Stunde gebe es im Kreisgebiet "etwa 1000 Personen mit Flucht- und Asylhintergrund, die sofort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen", so die Leiterin des Jobcenters des Kreises Kleve Andrea Schwan. Christian Parnitzke von der Agentur für Arbeit vermutet, dass mehr als ein Drittel von ihnen zwischen 15 und 25 Jahre jung seien.

Liegt noch keine Anerkennung als Flüchtling vor, sei selbst bei Aufnahme von geringfügiger Beschäftigung ein Antrag zur Beschäftigung bei der Ausländer-Behörde zu stellen. Während einer gesetzlichen oder tariflichen Ausbildungszeit erhalte der Auszubildende eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung. Einhellige Meinung ist, dass ein Einblick ins Berufsleben für die Integration nur von Vorteil sein könne.

Omid Haidari (24) aus Afghanistan ist einer dieser jungen Leute, die ihre Chance bei Probat nutzen wollen. Im März begann er den Sprachkurs, absolvierte danach ein Praktikum und ist jetzt mitten in einer berufsvorbereitenden Maßnahme, die ihn im nächsten Jahr befähigt, eine Ausbildung bei Probat zu beginnen.

Von dem Projekt in Emmerich, das mittlerweile gut 100 Flüchtlinge durchlaufen haben, profitieren aber auch die Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen. "Wer mit Flüchtlingen direkten Kontakt hat, kann auch leichter Vorurteile abbauen", sagt Anette Dierks. Die Nachhaltigkeitsmanagerin bei Katjes gehört zu jenen fünf Mitarbeitern, die sich um den Deutschunterricht beim Süßwarenhersteller kümmern.

Negative Erfahrungen haben die Unternehmen bislang nicht gemacht. "Natürlich ist auch schon der ein oder andere einfach nicht mehr gekommen, aber das ist bei unseren Auszubildenden manchmal auch nicht anders", sagt Abbing.

Das Projekt in Emmerich hat landesweit Aufmerksamkeit erregt. Von Unternehmerzirkeln aus anderen Regionen, aber auch vom Bildungsministerium gab es schon Einladungen, um das Netzwerk mit Vorbildcharakter vorzustellen. Dabei bemerkenswert: Um ein Großunternehmen zu finden, das ähnliches leistet, muss man schon lange suchen. Wim Abbing interessieren die schieren Zahlen jedoch wenig: "Letztendlich geht es um jedes einzelne Schicksal", sagt er.

(RP)
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