Kerken Die Mundart lebendig halten

Kerken · Platt ist im Gelderland auf dem absteigenden Ast. Die Dialekte hier sterben langsam aus. Der Heimatverein Nieukerk kämpft dagegen an. In erster Reihe: Mundart-Spezialist Peter Völker. Er bringt das Vogteier Platt zurück nach Nieukerk.

Kerken: Die Mundart lebendig halten
Foto: Zörner

Wenn der Heimatverein Nieukerk einmal im Jahr zum Mundart-Theater einlädt, gibt es schon beim Kartenvorverkauf lange Schlangen. "Die haben sogar in der Nacht dafür angestanden", sagt Peter Völker, Mundart-Spezialist aus dem Heimatverein Nieukerk. In Eigenregie übersetzt er bekannte Theaterstücke in "Naikirksch Platt", und das kommt an bei den Menschen im Gelderland.

Trotz der Begeisterung für das Mundart-Theater hört man im Alltag kaum Menschen, die das Nieukerker Platt sprechen - anders als zum Beispiel bei Dialekten wie Bayrisch oder Plattdüütsch. "Woanders gehört das einfach dazu, den Dialekt zu sprechen. In Bayern oder Norddeutschland haben die Menschen eine andere Sichtweise auf ihre Sprache", erklärt Völker.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hörte man den Dialekt allerdings auch hier noch oft: "Überall wurde Platt gesprochen. In der Schule, in der Kirche, auf der Straße. Überall. Aber irgendwann war es hier verpönt, Mundart zu sprechen, in der Schule war es sogar verboten", erzählt der Nieukerker Mundart-Spezialist. "Anständig" sollten die Kinder sprechen und "schön hochdeutsch".

Mit anderen Kindern habe sich Völker deshalb als kleiner Junge nur auf Hochdeutsch unterhalten. Doch mit Mundart sei er in seinem Zuhause aufgewachsen: "Meine Mutter hat nur Platt gesprochen. Daher konnte ich das schon als Kind." Als er dann nach beruflichen Ausflügen nach Düsseldorf und Krefeld für seinen Ruhestand vor 20 Jahren nach Nieukerk zurückkam, kam ihm der gerade gegründete Heimatverein wie gelegen. "Heimat ist mein Hobby. Und Mundart gehört dazu." Heute versucht Völker, die Sprache lebendig zu halten -solange es eben geht: "Dass Platt ausstirbt, können wir nicht verhindern. Aber wir können den Prozess verlangsamen."

Das Mundart-Theater ist ein Teil der Strategie. "Manche Zuschauer verstehen den Ablauf vom Stück gar nicht. Aber das ist egal. Sie freuen sich, einfach mal wieder länger am Stück Platt zu hören." Sprechen ist allerdings noch ein anderes Kaliber als zuhören. Das zeigt sich vor allem auf der Darstellerseite, sagt Völker: "Wir haben Probleme, Nachwuchs zu bekommen. Viele würden gerne mitspielen, aber sie trauen sich das nicht zu auf Platt." Mit etwas Übung sei diese Sorge aber unbegründet: "Platt kann man lernen - genau wie englisch". Das "Vogteier Wörterbuch", das Völker beim Übersetzen benutzt, hat sein inzwischen verstorbener Kollege aus dem Nieukerker Heimatverein Karl Dicks erarbeitet.

Acht Jahre hat das gedauert, und das Interesse daran war so groß, dass es mittlerweile ausverkauft ist. Dicks und Völker haben allerdings noch einige Bücher in Vogteier Mundart übersetzt - darunter Klassiker wie Grimms Märchen, Max und Moritz, und auch eine Sammlung von typischen Redensarten und Spruch-Weisheiten mit dem Namen "Häs'e al gehüert?" ist dabei.

Bei "Max on Moritz in Fochdaier Platt", dem jüngsten Buch in der Reihe, ist eine Audio-CD mit dabei. "Für Leute, die mit dem Lesen nicht klarkommen, dass sie das hören können", erklärt Völker. Heimatliebe pflegen - dazu gehört für den Heimatverein eben auch, die Mundart zu pflegen. Mit der Sprache verbinde sich auch eine bestimmte Denkweise, findet Völker: "Es gibt viele Sachen, die man besser sagen kann als in Hochdeutsch. Platt ist oft treffender, empfindsamer und weitläufiger."

Und einen ganz praktischen Nutzen hat das Vogteier Platt auch - durch seine Nähe zum Niederländischen, sagt Völker: "Die Sprache kann ich gut verstehen. Die Verwandtschaft meiner Frau kommt aus den Niederlanden. Und wenn wir Platt sprechen, verstehen wir uns wunderbar."

(RP)
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