Geldern Die Tränen des Bordellchefs

Geldern · Im Verfahren gegen einen Sexclub-Besitzer sagten jetzt Zeugen aus.

Nach fünf Stunden Verhandlung zeigte Bordellbesitzer Jürgen R. Gefühle. Der 70-Jährige, dem vorgeworfen wird, knapp 620.000 Euro Abgaben hinterzogen zu haben, brach in Tränen aus. Er nahm seine Brille ab und trocknete seine Augen. Der Gemütszustand des Mannes, der in Kalkar einen "Erotik Club" führt, änderte sich, als über seine Frau gesprochen wurde. Sein Anwalt erklärte, dass sich sein Mandant derzeit in einer besonders schwierigen Situation befinde. Dem Angeklagten droht nicht nur eine Haftstrafe, auch ist offenbar die Frau des Sexclub-Besitzers schwer erkrankt. Ihre Lebenserwartung sei nur noch gering, so der Anwalt.

Vor dem Gefühlsausbruch standen die Prostituierten im Mittelpunkt des zweiten Verhandlungstags. Sechs Damen, die in dem Bordell "Haus Manier" gearbeitet hatten oder immer noch ihre Dienste anbieten, waren als Zeuginnen geladen. Zwei von ihnen waren schließlich auf der Schwanenburg erschienen. Darunter war eine 31-jährige Polin, die seit einigen Jahren nicht mehr in dem Betrieb arbeitet. Sie war aus London angereist, wo sie jetzt als Putzfrau in einem Krankenhaus tätig ist. Die Frau schilderte unter anderem, wie das Leben in dem Freudenhaus ablief. "Wir mussten an der Theke warten, der Kunde kam und hat sich eine ausgesucht", sagt die 31-Jährige. Die finanzielle Situation war offenbar zumindest vor einigen Jahren eine auskömmliche. So erklärte die Polin, dass sie im Monat 3000 Euro verdient habe. Später seien es 2000 Euro gewesen. Da Steuern in diesem Geschäftsmodell nicht vorgesehen waren, handelt es sich um Nettobeträge. Alles, was die Frauen neben dem "normalen Service" an zusätzlichen Leistungen lieferten, wurde extra abgerechnet. Dieses Geld durften die Prostituierten behalten. Von Bedeutung für die Anklage war unter anderem, ob die Damen des Hauses selbst die Preise festlegen konnten. "Nein, die hat allein der Chef bestimmt. Eine Stunde kostete 150 Euro", sagt die 31-Jährige. Dies erklärten übereinstimmend auch andere Angestellte. Demnach wäre der Angeklagte als Arbeitgeber einzustufen. Er hätte, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die Abgaben entrichten müssen.

Auf die Frage von Richter Christian Henckel, warum die Polin das Etablissement denn verlassen hätte, antwortet diese: "Ich hatte mich verliebt."

Nach den Zeugenvernehmungen wurde noch abgerechnet. Es ging um die Summen, die Jürgen R. hinterzogen haben soll. Nach Ansicht des Klever Staatsanwalts Hendrik Timmer liegt der von ihm verursachte Gesamtschaden bei 619.897 Euro. Richter Henkel kam bei seiner Rechnung auf etwa 540.000 Euro an hinterzogenen Steuern und fehlenden Sozialversicherungsbeiträgen. Ab einer halben Million Euro nicht gezahlter Abgaben kommt man nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs nur schwer an einer bewährungsfähigen Strafe vorbei.

(jan)
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