Rp-Serie Wegekreuze Und Heiligenhäuschen (43) Ein Esel und viele Hüter der Kapelle

Geldern · Am Wochenende feiert die Tapp-Gemeinschaft in Winternam das 50-jährige Bestehen ihrer Marienkapelle. Es dauerte lang, bis die Figur zurückkam.

 Ein Teil des heutigen Pflegeteams der Winternamer Marienkapelle mit Tapp-Esel.

Ein Teil des heutigen Pflegeteams der Winternamer Marienkapelle mit Tapp-Esel.

Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

Winternam Wer den Esel hat, der kümmert sich auch um die Kapelle. So lautet der volkstümliche Brauch in der Winternamer Nachbarschaft rund um die Marienkapelle. "Obwohl, der Tapp-Esel gehört nicht zur Kapelle", stellt Anwohner Heinz Diepers über den Holzesel auf dem Stecken klar. Aber irgendwie hängt doch beides zusammen, denn die Nachbarschaft war es, die sich dafür einsetzte, dass ihre Marienfigur wieder zurückkam.

"Unsere Eltern sagten schon, dass die Madonna aus dem 30-jährigen Krieg stammt", erklärt Johannes Jacobs die Herkunft. Die hatte viele Jahren ihr Zuhause an der B 9. "Bis etwa Mitte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand an der alten Gelderschen Heerstraße im Bereich unserer Nachbargemeinschaft ein Heiligenhäuschen mit einer Madonnenfigur, der allseits größte Verehrung gezollt wurde", heißt es in der Chronik der Nachbarschaft. "Es war ein Wegemal aus vergangenen Zeiten in Anlehnung an Kevelaer, das dem einsamen Wanderer, den Kauffahrer zur kurzen Rast und innigem Gebet verweilen ließ", steht weiter in der Chronik.

Als die alte Heerstraße, die heutige B 9, verlegt wurde, gingen dort kaum mehr Passanten vorbei, das Kapellchen zerfiel, und die Marienfigur wurde im Sibbenhof in Winternam untergebracht. Es begann eine Odyssee: Ein Feuer zerstörte 1918 den Sibbenhof. Im benachbarten Claashof erhielt die Madonna zunächst eine neue Unterkunft. Als die letzten Besitzer des Sibbenhofes, die Familie Rous, nach Nieukerk zogen, nahmen sie die Marienfigur mit. 1921 ging die Figur im Gepäck von Sohn Johannes Rous mit nach Krefeld-Oppum. Sie erhielt einen Ehrenplatz in der dortigen Kirche. Nächste Station war das Schwesternhaus.

In der Winternamer Nachbarschaft wurden erste Überlegungen laut, die Marienfigur wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückzuholen. Die Einigung war mit der Bedingung verbunden, dass der Marienfigur eine Kapelle gebaut werden sollte. Das war leichter gesagt als getan. "Aus verkehrstechnischen Gründen versagte die Behörde die Genehmigung; hinzu kam noch die kirchenfeindliche Einstellung des derzeitigen Regimes, welches die Errichtung eines solchen Bauwerks an öffentlichen Straße zu verhindern suchte", heißt es in der Chronik.

Die Nachbarschaft versuchte um das Jahr 1938, der Marienfigur eine Heimat zu geben. Es dauerte mehr als 25 Jahre, bis der Wunsch Wirklichkeit wurde. "Mein Vater und meine Mutter hatten sich bereit erklärt, aus unserem Garten ein Stück zur Verfügung zu stellen", erklärt Jacobs, wie es weiterging. Das Kapellchen wurde zwischen den Häusern Winternam 158 und 162 gebaut. Heiligenhäuschen in der Umgebung wurden besichtigt. Architekt Josef Ehren lieferte den Entwurf. Dann packten alle mit an. Heinrich Diepers führte die Maurerarbeiten aus, Heinrich Naebers und sein Sohn kümmerten sich ums Dach, Johann Schoelen und Sohn Ludwig um die Schreinerarbeiten. Schmiedemeister Heinrich Teuwen und sein Sohn sorgten für Opferstock und Kerzenständer, Martin van der Pütten fertigte das Tor. 4270 Mark kostete das Kapellchen. Pastor Theodor Steeger spendete 1000 Mark und segnete am 8. September 1965 die Gebetsstätte ein.

Es wurde ein großer Festtag in der Nachbarschaft. Die Wege wurden mit Birken geschmückt, die Kapelle mit einem Palmkranz. Die Marienfigur wurde bei Familie van der Pütten abgeholt und in einer feierlichen Prozession, begleitet von Mariengesängen, zu ihrer neuen Stätte im Herzen der Nachbarschaft getragen. Zur Einweihung schrieb Anna van der Pütten, die als Schwester Adelberga in Steyl lebt, ein Gebet, das in der Kapelle hängt. Es beginnt mit den Worten: "Mutter Maria, ich grüße dich! Hier in der teuren Heimat Gefilde!" Schwester Adelberga lasse grüßen, sagt Elisabeth Jacobs. Und sie freue sich sehr, dass gefeiert werde. Denn noch immer ist die Kapelle wichtiger Mittelpunkt der 19 Haushalte der Tapp-Gemeinschaft. Wenn jemand eine Prüfung habe oder in der Klausurvorbereitung stecke, dann werden "Kerzkes" angemacht, sagt Johannes Geilen. "Heute noch, so wie unsere Eltern es schon gemacht haben", ergänzt Heinz Diepers. Regelmäßig wird die Kapelle aufgesucht, um für Kranke und Verstorbene zu beten.

Wundern, dass erst in diesem Jahr das 50-jährige Bestehen gefeiert wird und nicht schon 2015, braucht sich keiner. Im vergangenen Jahr gab es schon ein großes Fest in der Tapp-Gemeinschaft, die Goldhochzeit von Johannes und Elisabeth Jacobs. Außerdem sei es viel schöner, das Kapellenfest mit einer Maiandacht zu begehen, sind sich die Nachbarn einig. Gesagt, getan.

(RP)
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