Geldern Ein neues Leben für Benjamin Bongarts

Geldern · Ein Mensch ist gestorben. Es ist nicht bekannt, wer, es ist nicht bekannt, wie. Doch in seinem Tod hat dieser Mensch Benjamin Bongarts ein Geschenk gemacht: eine Niere. Achteinhalb Jahre war der 25-Jährige auf die Dialyse angewiesen.

 Benjamin Bongarts hat eine neue Niere erhalten. Wenn alles gut geht, dann wird der 25-Jährige mit dem fremden Organ nun ein viel besseres Leben haben, und wahrscheinlich auch ein längeres.

Benjamin Bongarts hat eine neue Niere erhalten. Wenn alles gut geht, dann wird der 25-Jährige mit dem fremden Organ nun ein viel besseres Leben haben, und wahrscheinlich auch ein längeres.

Foto: Armin Fischer

Was die neue Niere für ihn bedeutet? "Hauptsächlich Freiheit", sagt Benjamin Bongarts. Er wird reisen können, sogar ins Ausland. Früher hätte er dazu organisieren müssen, wo er am Zielort die Blutwäschen durchführen kann. Er wird essen und trinken können, was er möchte. Er wird Zeit haben. "Man kommt von der Arbeit und kann sich auf die Couch legen oder nach draußen gehen, und nicht, wie früher, die Dialyse vorbereiten."

Er erlebt erstmals Freiheit, auch im eigenen Kopf. "Einfach mal spontan sein", beschreibt er: "Das kannte ich gar nicht." Ganz egal, worum es ging - um Pläne für den Tag, die Woche, die Zukunft: "Irgendwo waren die Gedanken an die Dialyse immer dabei."

Seine Nierenerkrankung hat Benjamin Bongarts sein Leben lang begleitet. Als er ein Baby war, wurde ihm eine Niere entfernt. 2006 versagte auch die zweite den Dienst. Achteinhalb Jahre lang stand er auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Drei Mal in der Woche, jeweils für fünf Stunden, musste er in dieser Zeit an die Dialyse, also die Blutwäsche. Im Herbst wurde der junge Mann aus Alpen der erste Patient des Gelderner Nierenzentrums, der die Dialyse zu Hause durchführte - ein Pionier für Geldern. Schon als das Dialysegerät mit komplizierter Medizintechnik Ende 2014 bei ihm zu Hause eingerichtet wurde - die RP berichtete damals - da witzelten die Ärzte und Pfleger: "Pass auf, sobald das Ding bei dir steht, kommt die neue Niere." Und so war es auch - gerade mal ein halbes Jahr später.

Der Moment, der sein Leben verändern sollte, war am 9. Mai, ein Freitagabend, um 22 Uhr: "Der Anruf, dass in Essen eine Niere für mich bereit wäre. Da bin ich noch an der Dialyse gewesen", erinnert er sich. Sofort sollte er die Behandlung beenden und bis Mitternacht in der Essener Universitätsklinik sein.

Er hatte vorher keine Vorstellung davon, wie er auf diese Botschaft reagieren würde, wenn sie jemals käme. Und als es dann so weit war: "Es war schwierig zu verstehen", versucht er seine Gefühle zu erklären. Ganz ruhig habe er sich gefühlt, nur ein bisschen angespannt. "Meine Freundin sagte, ich sei sehr emotionslos gewesen", erzählt er.

Während seine Lebensgefährtin auf der Stelle in Tränen ausbrach, spulte er in seinem Kopf ab, was jetzt alles zu tun wäre: eine Tasche fürs Krankenhaus packen, Verwandten Bescheid sagen, "ich hab noch an die Arbeit gedacht". Der Bürokaufmann organisierte, dass ein Kollege am nächsten Tag für ihn einspringen würde.

Um 5.30 Uhr am nächsten Morgen, nach weiteren Untersuchungen in der Nacht, wurde ihm die Spenderniere eingesetzt. Wenn alles gut geht, dann wird Benjamin Bongarts mit dem fremden Organ ein viel besseres Leben haben als früher, und wahrscheinlich auch ein längeres. "Die Dialyse kann man theoretisch immer machen", führt er aus. "Aber alle Ärzte sagen: Ein Körper, der immer an der Dialyse ist, hat keine so hohe Lebenserwartung wie einer, der eine Niere hat."

Über den Spender weiß er nichts. "Der Arzt hat mir nur gesagt, dass die Niere nicht lange außerhalb des Körpers war. Das heißt, dass es vielleicht irgendwo in der Nähe passiert ist", sagt Benjamin Bongarts. Mehr will er im Augenblick auch gar nicht wissen. Er könnte zwar irgendwann in Erfahrung bringen, wer der Spender war. Aber im Moment hat er nicht das Gefühl, dass er das möchte. "Ich bin dankbar dafür", sagt er. "Aber ich denke trotzdem nicht viel darüber nach."

Natürlich muss er jetzt noch sehr auf sich aufpassen. Besonders risikoreich sind die ersten drei Wochen nach der Operation - die hat er hinter sich. Und bis zu einem halben Jahr lang wird das körpereigene Immunsystem sehr stark unterdrückt, damit es sich nicht gegen das fremde Organ wehrt. In dieser Zeit wäre schon eine Erkältung ein Problem. Nach dem schwerwiegenden Eingriff ist der 25-Jährige noch nicht wieder topfit. Er versucht, Kondition aufzubauen. Medikamente wird er immer nehmen müssen, ebenso wie er nie ohne ärztliche Betreuung auskommen wird. Aber alles in allem geht es ihm gut. Auch das Körpergefühl ist ein anderes. "Nach der Dialyse war man teilwise sehr platt", blickt er zurück. "Jetzt habe ich nicht mehr diese Schwankungen."

Gewaltige Pläne hat Benjamin Bongarts jetzt eigentlich nicht. Vielleicht mal ein Kurztrip mit der Freundin ans Meer, wenn er Lust hat, einfach so. Dabei sein, wenn seine Freunde zu Ausflügen aufbrechen. Oder er könnte sich ein Hobby zulegen: "Bisher war dafür ja nicht die Zeit. Mal sehen, was sich ergibt."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort