Kerken Ein Nieukerker als "Friedensaktivist"

Kerken · Hinrich Kley-Olsen über den Fall der Mauer vor 25 Jahren. Er erlebte die Jubelstürme mit. Der 56-Jährige setzte sich immer wieder für Freiheit und Frieden ein. Oft saß er im Gefängnis. Sorge vor dem Vergessen bei junger Generation.

 Hinrich Kley-Olsen aus Nieukerk beschäftigt sich auch heute noch oft mit dem Thema Mauerfall. Sein Drang nach Freiheit ist ungebrochen.

Hinrich Kley-Olsen aus Nieukerk beschäftigt sich auch heute noch oft mit dem Thema Mauerfall. Sein Drang nach Freiheit ist ungebrochen.

Foto: Klaus Dieker

Wenn Hinrich Kley-Olsen über den 9. November 1989 nachdenkt, fällt dem 56-jährigen Nieukerker nur ein Wort ein: "Wahnsinn." Morgen vor genau 25 Jahren fiel die Berliner Mauer. "Der Tag war für die DDR-Bürger die Befreiung aus Unterdrückung, Erniedrigung und Entwürdigung sowie aus einem System der schlechten Versorgung und der Indoktrination", sagt Kley-Olsen.

Damals weilte er in Oldenburg, setzte sich aber, nachdem die Nachricht sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Welt verbreitet hatte, sofort in den Zug, um hautnah dabei zu sein und die einzigartige Atmosphäre mitzuerleben. Die Jubelstürme und die Freude waren sprichwörtlich grenzenlos. Fremd war ihm die DDR jedoch nicht. Bereits im März 1985 hatte sich Kley-Olsen - als "Westler" wohlgemerkt - mit vier anderen wagemutigen Friedensaktivisten aufgemacht, um am Berliner Alexanderplatz, der im Ostteil der Stadt liegt, für die Friedensbewegung in der DDR solidarisch zu protestieren. Der Protest dauerte letztlich nur wenige Minuten. Was folgte, war die sofortige Verhaftung und ein stundenlanges Verhör. Noch am selben Tag wurden die "Aufständischen aus dem Westen" abgeschoben. "In dem Moment haben wir ein unbändiges Gefühl von Freiheit verspürt", sagt Kley-Olsen.

Ereignisse wie dieses und die vielen Einzelschicksale der Opfer geraten mittlerweile aber immer mehr in Vergessenheit. Gerade bei der jüngeren Generation, die im vereinten Deutschland groß geworden ist. Und dagegen kämpft der Nieukerker mit vollem Engagement an.

Auf seiner eigenen Internetseite (www.mauerfall-berlin.de) hat er Artikel, Fotos, Buchtipps und Videos rund um das Thema aufbereitet. "Ich beschäftige mich jeden Tag mit der Seite", erklärt Kley-Olsen. Und die Arbeit zahlt sich aus. In den vergangenen Tagen explodierten die Klickzahlen regelrecht. Waren es am 1. November noch 351 Besucher, zählte der Nieukerker vier Tage später schon mehr als das Dreifache.

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Die Motivation schöpft der Erwachsenenbildungsreferent im evangelischen Kirchenkreis Moers aus seiner Vita. Zwar hatte der 56-Jährige keine Ost-Verwandtschaft, aber schon seine Jugend war geprägt vom Kampf für Freiheit. "Meine Mutter spielte dabei eine sehr wichtige Rolle. Sie war Kommilitonin der Geschwister Scholl und hat deren Verhaftung 1943 hautnah miterlebt. Sie hat sich danach immer wieder Vorwürfe gemacht, dass sie nichts dagegen unternommen hat", erzählt Kley-Olsen. "Das hat sie nie mehr losgelassen." Nach einem weiteren einschneidenden Erlebnis als 13-jähriger Schüler entschied sich der Nieukerker, in den Widerstand zu gehen. "Während einer Klassenfahrt nach Berlin waren wir auch im Ostteil der Stadt. Wenn man die Stacheldrahtzäune sieht, steigt ein ganz beklemmendes Gefühl in einem auf."

Wenige Jahre später begann seine "Karriere" als Friedensaktivist. "Ich wohnte damals noch in Mutlangen, einem Ort in Baden-Württemberg, in dem in den 1980er Jahren Pershing-II-Raketen stationiert waren. Wir haben mehrere Sitzblockaden gemacht. Insgesamt bin ich 16 Mal verhaftet worden und saß viereinhalb Monaten im Gefängnis", erzählt Kley-Olsen.

Sein Drang nach Freiheit und Gerechtigkeit ist aber nach wie vor ungebrochen. Und so wird Kley-Olsen auch heute gedanklich bei den Menschen sein, die Opfer der SED-Diktatur wurden, und die den Mauerfall als glücklichsten Moment ihres Lebens bezeichnen. Der Nieukerker gehört sicherlich auch dazu.

(cad)
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