Geldern Es fährt (k)ein Zug nach irgendwo . . .

Geldern · Die Trauer ist groß, gefeiert wurde ohne Züge in Hartefeld und Sevelen. In dem Gelderner Ortsteil wird das Event am 30. April nachgeholt.

Auch ohne Umzüge: So wurde im Gelderland Karneval gefeiert
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So wurde im Gelderland Karneval gefeiert

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Der Anblick machte das Herz schwer. Mit bedröppeltem Gesicht schlurfte der Junge durch Sevelens Ortskern. "Am Sonntag in Nieukerk gab es noch so viel", sagte der fünfjährige Leonard, und seine dreijährige Schwester Pauline nickte. Doch gestern guckten die kleinen Kamellejäger in die Röhre. Das Schiebkarrenrennen samt Zug wurde wegen der Sturmwarnungen aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Die beiden Kinder waren wahrscheinlich die traurigsten Menschen im Hexenland. Ansonsten nahmen die Jecken die Absage eher gelassen. Die Entscheidung traf überwiegend auf Zustimmung, auch wenn einer aus der Riege des SV Exitus scherzte: "Kaum ist ein Issumer Bürgermeister, fällt in Sevelen der Zug aus." Die 20 Männer, die mit ihrem Wagen eine kurze Fahrt vom Kirchplatz aus unternahmen, hatten die gedopten russischen Leichtathletinnen thematisiert und ihnen statt Olympia die Hexenland-Games als Startmöglichkeit angeboten. Dass dieses Motiv im nächsten Jahr natürlich überholt ist, sieht die Gruppe sportlich. "Vielleicht gibt's ja wieder wie Anfang der 90er Jahre, als der Zug auch ausfiel, im Sommer eine Feier am Schießstand." "Das ist noch nicht ausdiskutiert", teilte Georg Hoeps vom Trommlerkorps Sevelen mit, gemeinsam mit der Bruderschaft Ausrichter der Rosenmontagsveranstaltung in Sevelen.

Kurz vor 14.11 Uhr sind die Straßen in Hartefeld wie leergefegt. Dabei sollten eigentlich fröhliche Menschen auf dem Gehweg stehen und bunte Wagen und Fußgruppen durch den Ort flanieren. Bis kurz nach 12 hatten die Verantwortlichen mit der Entscheidung gerungen. Die Hartefelder waren unter den Letzten, die ihren Zug wegen gemeldeter Sturmböen absagten. Nachgeholt wird das Event übrigens am 30. April - bevor abends "Tanz in den Mai" gefeiert wird.

Um 14.11 Uhr erfüllt Musik die Hartefelder Dorfstraße. Der Spielmannszug Blau-Weiß Hartefeld zieht Richtung Marktplatz. Vorneweg der Vorsitzende und stellvertretende Tambourmajor Norbert Clancett. "Wir machen das Beste draus und ein bisschen Musik", lautet seine Einstellung. Ihm folgt Prinz Klaus I. (Degenhardt) mit seiner Jubi-Garde. Deren Aufgabe: 1000 Strüssche unters Volk bringen, bevor die aufgrund fehlenden Zugs in einer Garage verwelken. Einige Narren haben sich auf dem Marktplatz eingefunden. Auch Frauen der Karnevalsgruppe Fusionisten (und ein männlicher Eisbär) stehen in ihren Eskimo-Kostümen in der Dorfmitte. "Was wir nicht verstehen, gucken Sie auf die Sonnenstrahlen, wo ist der Sturm?", stellt Conny Bulatow von den Fusionisten die Fragen aller Fragen. Eine andere Dame holt den Schlüssel, um an die Süßigkeitenvorräte zu kommen. Ihr Karnevalswagen ist aufgrund der Absage in der Garage geblieben. "Wir müssen an die Tüten, da sind Kinder, die warten." Aus der Ferne taucht ein Bollerwagen mit bunten Luftballons auf. Eine Gruppe Mädchen, die am Straßenrand steht, ist völlig aus dem Häuschen. "Wetten, das kriegen wir alles?" Tatsächlich geben die Pfadfinder mit vollen Händen Süßes aus. "Wir haben Süßigkeiten, und die Kinder rennen sowieso hier rum", lautet der plausible Plan von Wagenzieher Christian Slooten. Ein richtiger Zug findet aber nicht statt.

Es ist mittlerweile 14.30 Uhr, Brudermeister Winfried Rinass wirft einen Blick auf die Uhr und zum Himmel. "Ich bin der Meinung, wir hätten ziehen können, aber das ist meine persönliche Meinung", sagt Rinass. Die Bruderschaft ist für den Zug verantwortlich. Der geschäftsführende Vorstand hat sich gegen die Durchführung entschieden nach Beratung mit Polizei und Ordnungsamt. Die Entscheidung ist mehrheitlich gewesen. Anders als das Ordnungsamt habe er sich bei Kachelmann und bei niederländischen Wetterdiensten informiert, sagt Rinass.

Eine der wenigen kritischen Stimmen in Sevelen kam von Matthias Maasackers vom Kegelclub "Schwule Mädchen". Ihm fehlt die Verhältnismäßigkeit. Im Dorf Sevelen sei es doch nicht wie in Düsseldorf. "Sind doch nujr kleine Wagen."

Was mit den Bonbons in Hartefeld passiert, da reichen die Verwendungsmöglichkeiten von bierlaunigen Vorschlägen wie "mit Bollerwagen an Vatertag ziehen" bis zur Spendenbereitschaft für einen guten Zweck. Aber erst mal wurde in Hartefeld abgespeckt gefeiert, der Rest wird später geklärt.

Derweil zogen Leonard und Pauline mit leeren Beuteln nach Hause. Doch wie sagte ihre Mutter Astrid Diepers? Heute beim "Rüseldensdagszug" in Issum sind sie wieder dabei.

(RP)
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