Wachtendonk Gelderland: Invasion der Ami-Krebse

Wachtendonk · Tiere aus anderen Weltregionen machen sich am Niederrhein breit. In der Blauen Lagune zum Beispiel der rote amerikanische Sumpfkrebs. Grundeln schaffen es vom Schwarzmeer bis in die Niers. "Immis" biologisch überlegen.

 So sieht er aus, der rote amerikanische Sumpfkrebs, der eigentlich nicht unbedingt an der Blauen Lagune zu Hause ist. Trotzdem wurde ein solche Exemplar dort jetzt gesichtet.

So sieht er aus, der rote amerikanische Sumpfkrebs, der eigentlich nicht unbedingt an der Blauen Lagune zu Hause ist. Trotzdem wurde ein solche Exemplar dort jetzt gesichtet.

Foto: dpa

Eigentlich wollte Reinhard Wessels mit Bekannten an der Blauen Lagune nur die Sonne genießen. Da ließ ihn ein merkwürdiges Etwas auf dem Weg stoppen. Für einen Frosch war es zu sehr gepanzert. Als Krebs identifizierte der Mann aus Hüls das Tier, das sich alsbald vom Asphalt in Richtung Wasser verzog. Wenig später verriet ihm das Internet, um was es sich handelte: um einen roten amerikanischen Sumpfkrebs.

"Der ist in der Tat in der Blauen Lagune gemeldet", bestätigt Dr. Harald Groß. Der Wissenschaftler leitet das Edelkrebsprojekt NRW. Er ordnet den scherenbewehrten Burschen von der anderen Seite des Atlantiks den Neobiota zu. Das sind Tier- und Pflanzenarten, die sich in anderen als in ihren Ursprungsgebieten breit machen. Der US-Krebs ist für Groß ein gutes - oder eher schlechtes - Beispiel für einen Meister im Verdrängungswettbewerb.

Neu ist das Auswärtsspiel des roten amerikanischen Sumpfkrebses nicht. Und er kam auch nicht alleine über den "großen Teich" auf den alten Kontinent. Schon ab 1900 setzten Wissenschaftler den Kamberkrebs aus, um die schwindenden Bestände heimischer Flusskrebse auszugleichen. Fischereiflotten brachten etwa ab 1960 den Signalkrebs in EU-Gewässer. "Ein neuer Weg ist die Aquaristik", berichtet Groß. Tierhalter, die im Handel falsch beraten wurden, werden zum Beispiel des Sumpfkrebses überdrüssig und setzen ihn einfach aus. Nicht gut für hiesige Krustentiere. "Mit einem ausgesetzten Krebs kann man 1000 andere umbringen", rechnet der Fachmann vor. Damit spielt er auf die biologische Überlegenheit der sechsbeinigen "Immis" aus Ami-Land an. Gerade der Signal- und der Sumpfkrebs seien aggressiver und fruchtbarer als die einheimischen Krabbler. Außerdem kam mit den Einwandern die Krebspest, die den Amis nichts anhaben kann, die Ureinwohner jedoch drastisch dezimiert. Groß: "Kaum eine Krankheit schlägt so radikal zu. Sie vernichtet einen Bestand in kürzester Zeit." Da er ein anpassungsfähiger Allesfresser ist, wirkt sich die Ausbreitung des "roten Amerikaners" auch auf die sonstige Flora und Fauna im Wasser aus. "Pflanzen gehen zurück", sagt Groß. Gerne macht sich der Krebs auch über Amphibienlaich her, mit entsprechenden Folgen für deren Populationen. Für noch problematischer hält Monika Hertel, Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) im Kreis Wesel, das Vordringen fremder Fischarten. Zum Beispiel der Grundeln aus dem Schwarzmeer. Sie fanden ihren Weg durch den Rhein-Main-Donau-Kanal bis in die Niers.

"Die Grundeln haben sich besonders im Unterlauf ausgebreitet", fasst Dr. Ute Dreyer, Sachbereichsleiterin beim Niersverband, Untersuchungen aus den Jahren 2010 bis 2013 zusammen. Am Rhein bekämen Angler fast keinen anderen Fisch mehr an den Haken, erzählt die Expertin. Wie weit die Verdrängung in der Niers sei, lasse sich noch nicht feststellen. Auf jeden Fall seien die Grundeln widerstandsfähiger als heimische Fischarten und fräßen unter anderem deren Brut. "Da ist kaum was dran zu machen."

(RP)
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