Geldern Gelderns schwarzer Aschermittwoch

Geldern · Vor genau 70 Jahren flogen amerikanische Bomber einen schweren Angriff auf die weitgehend evakuierte Stadt. Die meisten Gebäude wurden durch die Spreng- und Brandbomben zerstört. Auswärtige Feuerwehren mussten löschen.

Auf den Feldern bei Nieukerk pflügten die Bauern bereits. "Es herrschte Frühlingswetter, und es herrschte klare Sicht", erinnert sich Heinz Bosch an den 14. Februar 1945. Er war damals 15, und er musste erleben, wie Geldern an jenem Aschermittwoch in Schutt und Asche gelegt wurde. Um 9.03 Uhr fielen die ersten Bomben auf die Stadt - und noch viele folgten an diesem Tag.

Die todbringende und zerstörerische Last trugen die Maschinen der 9. US Bombardment Division. "Eigentlich lag Geldern im Bereich der britischen 2. Tactical Air Force", berichtet Bosch, heute Ehrenvorsitzender des Historischen Vereins für Geldern und Umgegend. Doch "die hatten zu viel zu tun", weshalb sie den Auftrag an die amerikanischen Verbündeten weitergaben. Die US-Bomberbesatzungen starteten im niederländischen Helmond, kannten sich aber laut Bosch in der Gegend nicht so gut aus wie die Briten. Ein Teil des Geschwaders fand Geldern gar nicht, bombardierte statt dessen Kevelaer und die Niersbrücke bei Winnekendonk. Doch was zwei Stunden lang auf die Herzogstadt fiel, reichte für deren Untergang.

Die ersten Bomben detonieren an der Egmondstraße, am Issumer Tor und am Nordwall. Bosch, seit September 1944 als Melder eingesetzt, sieht die Bomber von der Plattform des Mühlenturms aus anfliegen und bringt sich mit der übrigen Turmbesatzung ganz unten im mittelalterlichen Bauwerk hinter zwei Meter dicken Mauern in Sicherheit. "Wir hörten den Lärm der Motoren und das Pfeifen der Bomben", erinnert er sich.

Als er wieder oben auf dem Turm steht, sieht er, wie Geldern überall brennt. Der 15-Jährige wird zum Feuerwehrhaus am Nordwall geschickt, um die Brandbekämpfer zu holen. Doch es ist niemand mehr zum Löschen da. Nicht nur, weil die Stadt von September bis Dezember 1944 zum größten Teil evakuiert wurde. Gleich zu Beginn des Angriffs sind die Geräte und die Einsatzleitung der Gelderner Feuerwehr ausgeschaltet worden. Bosch findet nur das beschädigte Gerätehaus vor. Und zerfetzte Leichen von Feuerwehrleuten und Anwohnern, die im benachbarten Bunker Schutz gesucht hatten - und einem Volltreffer zum Opfer fielen.

Mit dem Fahrrad soll Bosch in Nieukerk Hilfe holen und von dort aus die Bezirksregierung informieren. Auf dem Weg trifft er auf einen Lastwagen voller deutscher Fallschirmjäger. "Die fuhren verbotenerweise bei Tag", berichtet er. Der Radler lässt sich ein Stück weit ziehen. Als zwei feindliche Jagdbomber auftauchen, löst er sich vom Lkw und sucht in einiger Entfernung Deckung. "Ich hörte nur die Bordkanonen und habe mich danach schnell auf den Weg nach Nieukerk gemacht." In Düsseldorf bekommt er eine Hilfszusage. Auf dem Rückweg nach Geldern stößt er wieder auf die Fallschirmjäger - alle tot.

Am Stadteingang wartet Bosch auf die Feuerwehren aus der Nachbarschaft, um sie zu den Brandherden zu lotsen. "Als erster kam ein Löschzug aus Kevelaer." Das ist um die Mittagszeit. Bis dahin wüten die Brände in der Stadt ungehindert. Am Nachmittag geraten die Feuerwehrleute selbst in Lebensgefahr. Feindliche Artillerie beschießt das Bahngelände, aus südlicher Richtung fliegen neue Marauder-Verbände das brennende Geldern an. Viele Krefelder Wehrmänner suchen Schutz in den unter Wasser stehenden Einmannlöchern am Straßenrand.

Einzelne Gebäude können von den Feuerwehren gerettet werden. Die Gaststätte Manten zum Beispiel, die Wirtschaft "Zum Salm" oder die Buchhandlung Schaffrath. Auch ein Brandherd am Turm der Pfarrkirche kann unschädlich gemacht werden. Insgesamt aber stehen die Männer dem gewaltigen Feuer hilflos gegenüber. "Geldern hat einen Tag lang gebrannt, bis zum Morgen des 15. Februar", erzählt Bosch. Am Abend des Aschermittwoch und in der Nacht bietet sich dem Beobachter ein schauriges Bild. "Weithin leuchtete die Glut wie eine Riesenfackel. Das Vernichtungswerk war nicht mehr aufzuhalten", schreibt Bosch in seiner "Illustrierten Geschichte der Stadt Geldern".

Als Bosch am nächsten Tag durch Geldern geht, lodern einzelne Brände immer noch. Die Stadt gleicht einem Trümmerhaufen. Kniehohes Geröll bedeckt die Hartstraße. Dort sind die Schäden besonders schlimm, ebenso auf dem Nordwall, auf dem kleinen und dem großen Markt, auf der Kapuzinerstraße und der Dammerstraße (heute Hülser-Kloster-Straße). Nach dem Aschermittwoch zogen fast alle verbliebenen Innenstadtbewohner in die östlichen Randbezirke. Die Stadtverwaltung verlegte ihren Sitz nach Aengenesch.

Der Bombenkrieg war für die Gelderner allerdings noch nicht zu Ende. Am Mittag des 21. Februar laden 58 US-Bomber ihre Fracht über der Stadt ab. Die meisten Bomben explodieren am Südwall und am Mühlenturm. Am 24. Februar kommen britische Bomber. Die Pfarrkirche wird schwer getroffen, auch das ausgebrannte Rathaus. Am 28. Februar trifft es Harttor, Haagschen Weg und das Wohngebäude von Schloss Haag. Der letzte Bombenabwurf geht am 2. März um die Fleuthbrücke an der Nieukerker Landstraße nieder. Bei Kriegsende ist Geldern zu 82 Prozent zerstört. 109 Zivilisten kommen durch Bomben ums Leben.

(RP)
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