Arndt Thielen "Glaube muss sich im Alltag bewähren"

Geldern · Der Pastor der katholischen Kirchengemeinde St. Maria Magdalena beantwortet Fragen zum Thema leere Kirchen und wie die Zeit zwischen den Feiertagen sinnvoll gefüllt werden kann. Ehrlichkeit spielt dabei eine große Rolle.

 Über das alltägliche Leben zwischen den Feiertagen spricht Pfarrer Arndt Thielen.

Über das alltägliche Leben zwischen den Feiertagen spricht Pfarrer Arndt Thielen.

Foto: Thomas Binn

Was passiert zwischen Weihnachten und Ostern in den Kirchen? Zu den Feiertagen sind die Kirchen knallvoll, und danach?

Thielen Es gibt schon eine Reihe Gläubige, die wochentags und an den Wochenenden dafür sorgen, dass die Kirchen in Geldern gut gefüllt sind. Ich habe nur am Anfang ein bisschen gestutzt, weil ich von Rhede mehr Leute gewohnt war. Aber wir haben den Eindruck, das zieht wieder an, es werden mehr.

Worauf führen Sie das zurück?

Thielen Bei drei neuen Leuten spielt natürlich auch die Neugierde eine Rolle. Die Neuen, Heiner Dresen, Christian Olding und ich, machen sicher auch viele Dinge anders, als unsere Vorgänger. Das ist nicht besser oder schlechter, das liegt einfach daran, dass jeder sich selber als eigenständige Person mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen einbringt.

Ein Beispiel?

Thielen Den Jahresabschlussgottesdienst habe ich als Festmesse mit großem Segen gestaltet. Der große Segen mit der Monstranz, wie er sonst nur zu hohen Feiertagen wie Fronleichnam stattfindet, das kannten die Gelderner nicht zum Jahresabschluss. Ich beschließe den letzten Tag des weltlichen Jahres immer so, weil ich damit groß geworden bin. Die Reaktionen waren positiv bei den Geldernern.

Hätten Sie gerne mehr Leute in der Kirche im Laufe des Jahres, nicht nur zu Feiertagen?

Thielen Natürlich hat man es als Pastor gerne, wenn möglichst viele, möglichst alle kommen. Aber ich finde auch, die Menschen sollen ehrlich zu sich selbst sein. Es sollen die kommen, die frei und bewusst kommen.

Was erwarten Sie von Ihren Zuhörern?

Thielen Mein Anliegen ist es immer, dass die Gottesdienstbesucher mit Freude und Gewinn nach Hause gehen, dass sie angesteckt werden von der Liebe Gottes. Diese Liebe im Alltag zu leben, es nicht nur zu versuchen, sondern zu tun.

Ist der Alltag die Königsdisziplin des Glaubens?

Thielen Wohl war! Weil im Grunde nicht jeden Tag Weihnachten ist. Glaube und Leben, das gehört zusammen. Ohne Glauben kann ich nicht leben. Ich empfinde den Glauben als Hilfe, Stütze, Wegbegleiter des Lebens.

Ein praktisches Beispiel? Wie gehe ich zum Beispiel mit dem Nachbarn um, den ich nicht leiden kann?

Thielen Ich versuche mal mit ihm zu sprechen. Ich muss ja nicht gleich mit ihm in Urlaub fahren. In den Kleinigkeiten des Alltags, da bewährt sich letztlich der Glaube. Das kann so aussehen, dass ich einfach "Guten Tag" sage. So, das kann jeder. Jeder kann Dinge tun, die das Leben menschlicher machen.

Also einfach gute Taten tun?

Thielen Nur soziales Engagement, das wäre mir zu wenig. Als Christ tue ich diese Dinge aus der Liebe Gottes heraus. Der Mensch muss sich hüten, sich selbst zum Maßstab zu machen.

Kann ich gläubig sein und die Kirche meiden?

Thielen Die Beziehung zu Gott ist das A und O. Eine Beziehung kann ich nur haben, wenn ich sie pflege. Wenn ich sage, ich glaube an Gott und ich tue nichts dafür, dann ist es wie der Ehemann, der seiner Frau sagt, dass er sie liebt, aber es nie deutlich macht, etwa durch einen Kuss oder eine Umarmung. Zur Pflege meiner Beziehung zu Gott gehören für mich, über meinen Glauben und meine Nöte zu sprechen und auch Gottesdienst zu feiern.

Was bedeutet Gottesdienst? Hinsetzen und Zuhören?

Thielen Gottesdienst ist für mich mehr, als nur in der Kirche zu sitzen und zuzuhören. Das ist für mich Gottesdienst: Die Zusage: "Gott liebt mich". Manchmal sind die Zusagen des Evangeliums auch knallhart, zum Beispiel, wenn dort steht: "Liebet eure Feinde". Letztlich geht es darum, nach dem Gottesdienst herauszugehen und den Glauben im Alltag zu leben.

Was ist, wenn der Gottesdienst als langweilig empfunden wird, die Predigt einen nicht anspricht?

Thielen Vielleicht ist der Besuch des Gottesdienstes einfach eine gute Zeit, um zur Ruhe zu kommen, das Handy aus der Hand zu legen und sich nicht vom Fernsehen berieseln zu lassen. Und wenn die Predigt einen nicht sofort packt, diese auch einmal auszuhalten.

Dürfen und sollen Gottesdienstbesucher auch Kritik äußern?

Thielen Jeder Prediger möchte gerne, dass das, was er vorbereitet hat, auch ankommt. Lob motiviert natürlich, aber Tadel, ja klar, warum nicht.

Warum haben viele Kirchen abnehmende Gottesdienstbesucherzahlen?

Thielen Das, was da passiert, ist letztlich ein Spiegel der Gesellschaft. In anderen Ländern, wie den USA, ist das anders, weil der Glauben dort eine andere Rolle spielt. Meines Erachtens hat es auch mit Bequemlichkeit zu tun.

Inwiefern Bequemlichkeit?

Thielen Meine Mutter musste noch jeden Tag zur Kirche, das war so üblich. Die Wochenenden wurden früher um den Gottesdienst herum geplant. Das ist heute völlig aus dem Blick geraten.

Was ist Ihr Ziel?

Thielen Mein Ziel ist es, als Kirchengemeinde einladend zu sein, sich abzugrenzen und als Christ Profil zu zeigen.

Wie kann das aussehen?

Thielen Es ist mein Job, Glaube und Leben im Gottesdienst zusammen zu bringen. Ich möchte den Leuten vermitteln, was die klare Botschaft des Evangeliums heute für uns bedeutet. Sie ist hochaktuell. Wenn Menschen sich aufregen, weil Flüchtlinge kommen. Das geht nicht. Das ist nicht christlich.

DIE FRAGEN STELLTE BIANCA MOKWA.

(bimo)
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