Zu Besuch in der JVA Geldern Heiraten hinter Gefängnismauern

Geldern · Immer wieder lassen sich Gefangene hinter Gittern trauen. Die JVA Pont in Geldern zählt zu den Hochzeitshochburgen unter den NRW-Gefängnissen. Wie ist es, hinter Gittern zu heiraten? Wir haben uns hinter den kalten Mauern umgesehen.

"Sehnsucht" - in riesigen Lettern prangt das Wort an den hohen Gefängnismauern der Justizvollzugsanstalt (JVA). Wonach sich die 571 Männer, die hinter der grauen Mauer eingesperrt sind, sehnen? Nach Freiheit, klar, aber vor allem auch nach Liebe. "Ich möchte jemanden haben, nicht allein sein, Trost finden", beschreibt Gefängnispsychologin Monika Mittmann die Gemütslage jener, die hier einen ganz besonderen Schritt wagen: heiraten hinter Gittern.

"Romantisch ist das nicht", sagt Anstaltsleiter Karl Schwers, als er den Raum für die Trauungen aufschließt. Eigentlich ist dies der Besucherraum: viele Tische, Stühle, ein paar Bilder an den Wänden, keine Fenster. Wenn hier eine Trauung ansteht, wird alles beiseite geschoben. Zur Feier des Tages gibt es weiße Tischdecken, Kaffee und Kuchen. Maximal zwölf Personen, inklusive Anstaltspersonal und Standesbeamter, dürfen anwesend sein. "Das muss reichen", sagt Schwers. "Keine Hochzeitsnacht."

Fünf Hochzeiten im Jahr 2015

Dennoch haben im vergangenen Jahr fünf Gefangene in Geldern hinter Gittern geheiratet. Damit zählt die Einrichtung neben der JVA Werl zu den Hochzeitshochburgen unter den Gefängnissen in NRW. Insgesamt gab es 2015 laut Landesjustizministerium 29 Eheschließungen in den 36 Anstalten.

Kriminelle, die den Bund fürs Leben in Gefangenschaft schließen, suchen nicht die Öffentlichkeit. Einige wenige spektakuläre Fälle haben in den vergangenen Jahrzehnten Schlagzeilen gemacht: 1973 heiratet eine Krankenschwester den vierfachen Kindermörder Jürgen Bartsch. Eine Friseurin verliebt sich im Gerichtssaal in den Gladbecker Geiselgangster Dieter Degowski, der 1991 unter anderem wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, und heiratete ihn später.

"Die Männer im Knast sind Männer - nicht anders als die, die draußen rumlaufen und geheiratet haben", sagt Gefängnisseelsorger Hartmut Pleines. Der Wunsch, im Gefängnis zu heiraten, habe auch mit Verlustängsten zu tun, erklärt der 52-jährige evangelische Pfarrer. "Die Ehe als Sicherheitsanker - das funktioniert aber hinter Gittern genauso wenig wie draußen." Deshalb fragen die Betreuer Heiratswillige oft: "Wollen Sie wirklich, dass Ihr Hochzeitstag lebenslänglich mit dem Gefängnis verbunden bleibt?"

Der Langszeitbesuchsraum als "Sexzelle"

Beziehungen hinter Gittern zu pflegen und zu erhalten ist schwer, wenn es zum Beispiel kriselt oder man bei einem der seltenen erlaubten Gefangenenbesuche gestritten hat. Vor allem dann kommen Männer zu Pleines. Denn nur hier können sie vertraulich telefonieren. Ansonsten würde öffentlich, dass sie gerade Stress zu Hause haben. Eine frühzeitige Entlassung setzt allerdings ein stabiles Sozialgefüge draußen voraus. Eine Zwickmühle.

Manche Männer versuchen, über Briefkontakt eine Frau zu finden. Aber was ist, wenn sich da ein Gewaltverbrecher als lammfrommer Romantiker verkauft? Alle Briefe, die die Anstalt verlassen, werden kontrolliert. "Post darf aber nur angehalten werden, wenn eine extreme Gefährdung vorliegt oder Verdacht auf eine Straftat besteht", erläutert Schwers. Ansonsten darf bei Kontaktanzeigen drinnen genauso geschummelt werden wie draußen.

Eine Partnerschaft mit einem Inhaftierten ist nichts für Zartbesaitete. Zweimal im Monat Regelbesuch, eventuell noch zweimal Langzeitbesuch (LZB) und ein Familienbesuch für Gefangene, die Kinder haben. Anstatt einer Hochzeitssuite gibt es hier den Raum "LZB 2". Grüne Wände, schwarzes Ledersofa, kleiner Holztisch, Waschraum, Küchenecke, der Langzeitbesuchsraum versprüht den Charme eines billigen Bahnhofshotels. Der Volksmund spricht von "Sexzellen". "Wir stellen kein Doppelbett auf", sagt Schwers. Immerhin gibt es frische Bettwäsche, Handtücher und Kondome. "Kürzlich hat sich einer beschwert, die seien zu klein", amüsiert sich der Anstaltschef. Eben alles wie draußen.

Nicht jeder Gefangene darf ungestört sein

An der Tür sind ein Alarmknopf und eine Gegensprechanlage. Nicht immer reicht das aus: Im April 2010 ersticht ein verurteilter Mörder in der JVA Remscheid seine Freundin in der Liebeszelle. In Geldern sei so etwas glücklicherweise nie passiert, erzählt Schwers. "Wir lassen nicht jede Frau unbewacht allein in den Raum", sagt Martina Stolk, Sozialarbeiterin in der JVA. "Wir prüfen die Sicherheitsgefährdung - insbesondere bei Männern, die wegen Gewalt gegen Frauen verurteilt worden sind." Dabei stehe vor allem die "Förderungswürdigkeit der Sozialkontakte" auf dem Prüfstand. Welche Beziehung denn nicht förderungswürdig wäre? "Zum Beispiel, wenn Partnerin und Insasse beide drogensüchtig wären", sagt Stolk.

Mörder oder Vergewaltiger werden nicht per se von Langzeitbesuchen ausgeschlossen. "Am schwierigsten sind die Betrüger. Die haben nach außen das gesellschaftskonformste Verhalten auf der Pfanne, sind aber am schwierigsten zu durchschauen", sagt Schwers.

(RP)
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