Geldern Höher, schneller, weiter - süchtig?

Geldern · Wer von Sucht spricht, hat längst nicht mehr die Nadel in der Armbeuge vor dem geistigen Auge: Die Möglichkeiten, sich in gefährliche Abhängigkeiten zu begeben, sind fast grenzenlos. Fachtagung des Kreis-Arbeitskreises Suchtvorbeugung.

 Menschen zwischen 14 und 24 Jahren gelten als besonders gefährdet beim Thema Internetsucht.

Menschen zwischen 14 und 24 Jahren gelten als besonders gefährdet beim Thema Internetsucht.

Foto: Miserius

Wenn er an die Frühzeit der Zusammenarbeit denkt, muss Stephan Gnoß ein wenig lächeln. Dass der Fachmann für die Suchtvorbeugung, der bei der Diakonie beschäftigt, ist, heute so vertrauensvoll mit Ludgera Hoppmann und ihren Kollegen zusammenarbeitet, war vor Jahrzehnten beinahe undenkbar. "Vertreter von Caritas oder Diakonie haben früher mit der Polizei nicht gesprochen", sagt er. Und Ludgera Hoppmann vom Kommissariat weiß genau, was er meint: "Polizei bedeutete in den Augen der Bürger vorwiegend Strafverfolgung. Jugendschützer und Vertreter der Drogenhilfe waren die, die bedingungslos auf der Seite ihrer Klienten standen." Genau das habe sich geändert, stimmt Gnoß zu. "Beide Seiten sind aufeinander zu gerückt und arbeiten jetzt zusammen." Dass alle Akteure ähnliche Ziele haben, trat jetzt einmal mehr bei einer Fachtagung im Kevelaerer Bühnenhaus zutage. Dorthin hatte der Arbeitskreis Suchtvorbeugung im Kreis Kleve pädagogische Fachkräfte aus allen Kommunen eingeladen.

Der Vormittag war nach der Begrüßung durch den Schirmherrn, Landrat Wolfgang Spreen, und Kevelaers Bürgermeister Dominik Pichler einem Impulsreferat über psychische Gesundheit gewidmet, dann teilten sich die Teilnehmer auch schon auf Arbeitsgruppen auf (die am Nachmittag in anderer Besetzung weiterarbeiteten). Fünf thematisch unterschiedliche Bereiche wurden damit abgedeckt, die alle gut nachgefragt waren. Ganz aktuell und in den Augen vieler Eltern, Lehrer und Sozialarbeiter sicher besonders bedrohlich: "Neue psychoaktive Substanzen". Ein Fachmann der Kölner Drogenhilfe stellte vor, was vermutlich dem Großteil der Mütter und Väter völlig fremd ist, den Pädagogen jedoch immer häufiger begegnet: "Legal Highs", Mittel, die zum Beispiel übers Internet für Jugendliche einfach zu beziehen sind, weil sie ganz harmlos daherkommen. Dabei haben sie ganz ähnliche Wirkungen wie illegale Drogen. Ein Riesenproblem, mit dem die Drogenberater immer häufiger zu tun bekommen. Umso wichtiger, dass alle in der Jugendarbeit Aktiven den Themen nicht nur hinterherlaufen, sondern sie im Auge haben und parallel dazu Lösungsmöglichkeiten suchen.

"Digitale Medien in der Lebenswelt von Klein- und Vorschulkindern" war ein ebenfalls stark beachtetes Workshop-Angebot. Immer früher erliegen Kinder der Faszination von Computerspielen, von denen viele harmlos sein mögen, allerdings über einiges Suchtpotenzial verfügen, denn Aufhören fällt schon den Jüngsten ausgesprochen schwer. Dann gab es noch die Arbeitsgruppen "Prävention in der Jungen- beziehungsweise Mädchenarbeit".

Sehr gelobt wurde für seine pädagogischen Angebote speziell für Jungen der Kevelaerer Thomas Binn, der die Gruppe auch leitete. Schließlich lud Udo Schiemann aus Kranenburg noch zur "Entschleunigung" ein. "Achtsam werden, bewusst leben, den Moment genießen - das sind ganz wichtige Bedingungen für die Vermeidung von Stress und Überforderung", weiß Ludgera Hoppmann.

Die Initiatoren der Tagung ermuntern die Verantwortlichen in den Kommunen dazu, sich intensiv um ihre Kinder und Jugendlichen zu kümmern, ihnen Anlaufstellen und pädagogisches Personal zu bieten. Vorbildlich seien da etwa Weeze oder Straelen mit ihrer Jugendarbeit zu benennen. Die Kommunen in der Zuständigkeit des Kreisjugendamtes nähmen die Angebote grundsätzlich gerne an und seien gute Kooperationspartner. Bei einigen größeren Städten könnte das Engagement größer sein. "Vieles hängt davon ab, wie stark zum Beispiel die Bürgermeister den Jugendbereich unterstützen", sagt Ludgera Hoppmann.

Neben den Räten und Verwaltungen spielten natürlich auch die Schulen eine große Rolle. "Wir kommen gerne zu Veranstaltungen oder Fortbildungen, finden aber besonders gut, wenn an den Schule präventive Konzepte existieren", merkt Gnoß an. Projektwochen, AGs wie "Kinder stark machen" oder Aktionen wie "Die gute Tat" seien wertvolle Bausteine der Suchtvorbeugung.

(RP)
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