Geldern "Honig im Kopf" - Tränen in den Augen

Geldern · In der Lise-Meitner-Aula wurde das Bühnen-Pendant zum erfolgreichsten Kinofilm des Jahres 2014 gespielt. Zuschauer durften über die Thematik "Alzheimer" lachen, wurden von der gelungenen Aufführung aber auch tief bewegt.

"Wie fühlt sich das eigentlich an, wenn man alles vergisst?", will die elfjährige Tilda eines Tages von ihrem an Alzheimer erkrankten Opa wissen. Seine Antwort: Es fühlt sich an wie Honig im Kopf. Der Titel mag dem ein oder anderen vor allem aus dem Kino bekannt sein, denn der gleichnamige Film von und mit Regisseur Til Schweiger, seiner Tochter Emma und Dieter Hallervorden in den Hauptrollen flimmerte bereits 2014 über die Leinwände. Die Geschichte um Tildas Opa Armandus Rosenbach, dem der Alltag mit seinen kleinen und großen Herausforderungen aufgrund seiner Krankheit immer weiter entgleitet, verzauberte auf der Bühne in der Gelderner Lise-Meitner-Aula gleichermaßen. Darsteller Achim Wolff stand Hallervorden dabei in nichts nach, spielte seine Rolle mit ihren verschiedenen Facetten überragend.

Zunächst sind es nur Wortfindungsstörungen, vergessene Vornamen und kleinere Haushaltsunfälle, aber nach dem Tod seiner Mutter will Niko Rosenbach (Karsten Speck) sich um seinen verwirrten Vater kümmern und holt ihn zu sich. Die zusätzliche Belastung tut sein Übriges zur sowieso schon kriselnden Ehe zwischen Niko und Sarah, gespielt von Astrid Kohrs, die die stets gestresste und überarbeitete Ehefrau authentisch verkörperte. Einzig und allein Enkeltochter Tilda (Astrid Bedenbender) begegnet ihrem Großvater mit unermüdlichem Verständnis. Als sie mitbekommt, dass ihre Eltern Opa in ein Pflegeheim stecken wollen, steht für Tilda fest: Sie muss die Sache selbst in die Hand nehmen. Also schnappt sie sich ihren Großvater und zieht mit ihm los, um ihm seinen letzten großen Wunsch zu erfüllen, an den er sich noch erinnern kann: Armandus will seiner Enkelin unbedingt Venedig zeigen, wo er einst seine Frau Margarete kennen und lieben lernte. Dass bei der weiten Reise nach Italien mit einem mittlerweile viel mehr als nur verwirrten Opa und einem minderjährigen Mädchen nicht alles glatt läuft, ist keine Frage. Doch Armandus verliert trotz diverser Aussetzer nicht seinen Humor und erntete vom Publikum durch das gesamte Stück hindurch zahlreiche Lacher.

Der Zuschauer erlebte so ein Wechselbad der Gefühle: Eben noch hat man darüber gelacht, dass Opa vergisst, wo die Toilette ist, und vor den Augen seines Sohnes in den Kühlschrank pinkelt. Im selben Augenblick jedoch wird einem bewusst, wie viel traurige Wahrheit der tückischen Krankheit Alzheimer in "Honig im Kopf" steckt. Durch die minimalistische Inszenierung, etwa durch kaum Bühnenbild und nur dezente musikalische Untermalung, konnte die Geschichte an sich in den Vordergrund rücken. Das zeigte sich besonders in den emotionalen Passagen des Stücks, zum Beispiel, wenn es um die Beziehung zwischen Vater und Sohn geht.

Obwohl die beiden sich so nah stehen, erkennt Armandus zum Schluss nicht einmal mehr seine eigene Enkeltochter, und das ausgerechnet mitten in Venedig, am Ziel ihrer Reise. In diesem Moment wurde es ganz still in den Reihen der Zuschauer, wurde einem doch so deutlich vor Augen geführt, dass Alzheimer dem Patienten letztlich sogar die Menschen nimmt, die sie ganz fest in ihr Herz schließen wollten. Honig im Kopf, im Kino wie auf der Theaterbühne, ist eine humorvolle und tief bewegende Familiengeschichte, die uns besonders so kurz vor Weihnachten lehrt, jeden Tag mit unseren Liebsten zu genießen.

(sh)
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