Enissa Amani "Ich bin nicht der große Weltverbesserer"

Geldern · Die heute 31-Jährige ist als Flüchtlingskind nach Deutschland gekommen. Jetzt ist sie gefeierter Comedystar. Am Freitag tritt sie in Kleve auf.

 Bei Enissa Amani treffen mehrere Welten aufeinander: Tussi und Revolutionärin, Deutschland und Iran, Nietzsche und Stöckelschuhe.

Bei Enissa Amani treffen mehrere Welten aufeinander: Tussi und Revolutionärin, Deutschland und Iran, Nietzsche und Stöckelschuhe.

Foto: Stephan Pick

Am Freitag treten Sie beim Comedy-Zoo im Spiegelzelt am Klever Tiergarten auf. Worauf darf sich der bodenständige Niederrheiner freuen?

Enissa Amani (lacht) Den bodenständigen Niederrheiner nehme ich mit auf eine Reise durch mein chaotisches Leben und durch die verschiedenen Einflüsse, die es geprägt haben. Meine deutsch-iranische Erziehung und ein bisschen auch durch den Iran. Der Traum ist, die Menschen aus Kleve nach Teheran über Chanel und zurück zu holen.

Ihr Programm schwankt zwischen Tussi und Revolutionärin. Wie politisch werden Sie dabei?

Amani Ich scheue mich immer ein bisschen vor dem Wort "politisch". Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich in die Kabarett-Schublade gesteckt werde und dass Vergleiche kommen wie "die persische Volker Pispers". Das sind für mich riesige Namen. Ich selber sehe das aber nicht so. Mein Programm handelt mehr von meinem Innenleben. Meine Eltern sind sehr politisch gewesen und haben der iranischen Opposition angehört. Ich kann mich dem nicht entziehen, dass ich ein Mensch bin, der Haltung hat und auch kritisch die Welt und sich selbst beäugt. In dem Programm ist aber genauso Jugend-Slang und "Verdammt nochmal, warum sitzt der Lidstrich nicht richtig?" drin.

Damit treffen Sie derzeit anscheinend voll einen Nerv ...

Amani Ich finde es toll, dass ich ein wahnsinnig gemischtes Publikum habe. Vom älteren Kabarett-Liebhaber bis zu den Jüngeren, die mich nur von TV Total kennen. Beiden Teilen in mir versuche ich gerecht zu werden. Das ist aber schon ein sehr großer Spagat, den ich da probiere. Wobei ich mich selbst aber nicht zu ernst nehme und auch nicht glaube, dass ich der große Weltverbesserer bin.

Sie werden gerne als "das Schönste, das Deutschlands Comedy- oder Kabarett-Szene zu bieten hat", angekündigt. Werden Sie zu stark auf Ihr Äußeres reduziert?

Amani Es schmeichelt mir ungemein und es ist eine Seite von mir. Egal ob Kleidung oder Make-Up: Das ist nicht gespielt, so bin ich wirklich. So würde ich auch abends essen gehen. Natürlich möchte ich aber, dass man mir in erster Linie zuhört und das interessant findet, was ich da zu erzählen habe. Manchmal endet es sehr skurril, wenn mich Mädchen nach der Show fragen, welches Rouge ich drauf hatte, und nichts vom Inhalt wissen wollen. Oder wenn Jungs sagen, dass sie riesige Fans sind, und ich dann frage, was ihnen am besten gefallen hat vom Programm, und sie es nicht so recht wissen. Das finde ich so lustig, dass ich es wieder in mein Programm reinpacke.

Mit Ihrem Aussehen gehen Sie ganz öffentlich um. Sie haben zum Beispiel kein Problem damit zu sagen, dass ihre Nase operiert ist.

Amani Nein, warum auch? Das ist ein Teil meiner Geschichte. Dass ich meine Nase operiert habe, mich gerne schminke, dass ich gerne Tussi bin und bei Miss-Wahlen teilgenommen habe. All das thematisiere ich und will zeigen, dass man nicht in Schubladen denken soll. Dass ein Mädchen, das 16-Zentimeter-Heels an hat, plötzlich etwas über Nietzsche zu erzählen weiß. Ein Mensch hat eben viele Facetten.

Ihr Vater ist Literat, Ihre Mutter Ärztin. Sie sind als Kind als politisch verfolgte Flüchtlinge aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Wie erleben Sie vor diesem Hintergrund die Flüchtlingsdebatte in Deutschland und Europa?

Amani Jedes Mal, wenn ich das Wort höre, bekomme ich schon Gänsehaut. Es erinnert mich daran, dass wir im Asylheim gelebt haben, als ich sehr klein war. Das Erste, woran ich mich so richtig erinnern kann, ist, dass in Solingen ein Heim gebrannt hat. Ich habe meinen Papa gefragt, was passiert sei, und er hat geantwortet, dass böse Menschen ein Heim angezündet haben. Ich habe ihn dann gefragt, ob da Menschen wie wir gelebt haben und ob uns das auch passieren könnte. Als Kind versteht man ja nicht, was da passiert. Lange Zeit hatte ich Angst und Albträume, dass ein Feuer bei uns ausbricht. Vor diesem Hintergrund habe ich immer einen anderen Blick auf die Debatte. Ich kann Leute verstehen, die das nicht erlebt haben und die Sache deswegen anders sehen. Wenn jemand nie selber fliehen musste, hat er ein anderes Bild und andere Ängste. Ich versuche, nicht zu sagen: Alles Nazis, alles schlimme Menschen, sondern durch Interviews oder Facebook-Posts hier und da den Menschen die Augen zu öffnen, um klar zu machen: Das könnte jeder sein. Wir haben halt das Glück gehabt, so aufzuwachsen, dass wir nie fliehen mussten.

Im Januar erscheint endlich Ihr erstes Buch. Wovon handelt es?

Amani Davon, was bisher in meinem Leben passiert ist. Wie ich groß geworden bin, den Weg bis hin zur Comedy. Das sind nicht die Geschichten, die ich in meinem Programm auf der Bühne erzähle. Ich tauche ein wenig intensiver in unsere Familiengeschichte ein, auch in die traurigen Seiten.

Nach einem Auftritt bei TV Total explodierte Ihre Karriere. Wäre die Show nicht etwas für Sie, jetzt wo Stefan Raab aufhört?

Amani Ich darf ja sogar noch einmal dort auftreten. In seine Fußstapfen kann kaum jemand treten, und ich schon gar nicht. Aber natürlich könnte ich mir vorstellen, eine eigene Show zu haben. Aber erst einmal nicht im Kaliber von Raab.

LUDWIG KRAUSE STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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