Geldern Keine Wohnung für Menschen am Rande

Geldern · Schon ein Schufa-Eintrag reicht: Wer in einer komplizierten Lebenslage ist, hat kaum eine Chance bei Vermietern, sagen die Wohlfahrtsverbände. Zugleich fürchten Empfänger von Sozialleistungen den Rauswurf aus ihren vier Wänden.

Es gibt zu wenig "bezahlbaren Wohnraum" in Geldern. Das ist nicht neu. Aber jetzt schlagen Diakonie und Caritas Alarm: Vielen Menschen sei der Wohnungsmarkt unter diesen Umständen schlicht verschlossen. Es reicht schon eine negative Schufa-Auskunft, damit Vermieter abwinken. "Wenn Menschen in einer schwierigen Lebenssituation sind, haben sie eigentlich kaum eine Chance, eine Wohnung zu kriegen", fasst Caritas-Sprecher Tobias Kleinebrahm zusammen. Schulden, Handicaps oder gar psychische Probleme - da gehen bei den Immobilieneigentümern die Jalousien herunter.

Wie groß die Not ist, zeigen ein paar Zahlen aus Geldern. In der hiesigen Sozialberatung der Caritas gehen wöchentlich zwei bis vier Anfragen von Leuten ein, die keine Bleibe finden. In der Migrationsberatung zählt man derzeit 17 Familien und acht Einzelpersonen auf Wohnungssuche.

Um denen zu helfen, die einfach nicht weiterkommen, haben Caritas und Diakonie schon selbst Wohnungen angemietet. Die vermieten sie dann an ihre Klienten unter. "Das heißt, der Vermieter weiß, er hat es mit einem solventen Partner zu tun", erklärt Diakonie-Geschäftsführer Joachim Wolff das Verfahren. Besser wäre es aber, die Betroffenen könnten sich auf eigene Beine stellen.

Wolff versteht die Bedenken von Vermietern. "Aber wenn die Mieter in unserer Betreuung sind, zum Beispiel im ambulant betreuten Wohnen, dann sind wir regelmäßig vor Ort", gibt er zu bedenken. So argumentiert auch Caritas-Sprecher Kleinebrahm: Wer schon Hilfe in Anspruch nehme, der arbeite doch an seinem Problem.

Ein Problem ist für die Wohlfahrtsverbände zudem das "schlüssige Konzept für Mietobergrenzen", das seit Sommer 2016 gilt. Der darin angepasste Ansatz für die so genannte "Bruttowarmmiete" für Menschen, die von Sozialleistungen leben, reicht nach Erfahrung der Wohlfahrtsverbände häufig nicht mehr, um die tatsächlichen Kosten zu decken.

Die Menschen wollen ihre Wohnung aber nicht verlieren: "Bricht die Wohnung weg, bricht ein Lebensumfeld weg", sagt Wolff. Die Folge: "Die jetzigen Regelungen des Kreises Kleve verschärfen in der Praxis oft das Armutsproblem, weil Menschen von ihrem ohnehin knappen Einkommen lieber 50 Euro selbst für die Miete draufzahlen, als ihre gewohnte Umgebung zu verlassen."

Beim Kreis Kleve sieht man aber bislang kein großes Problem. Es gebe nicht viele Beschwerden. Auch würden die persönlichen Umstände der Betroffenen stets berücksichtigt. "Es wird immer im Einzelfall geprüft, ob wirklich ein Umzug geboten ist", sagt Ruth Keuken, Sprecherin des Kreises.

Das kommt Diakonie-Chef Wolff bekannt vor: Diese Auskunft bekamen auch die Wohlfahrtsverbände. "Aber wir haben schon konkrete Fälle, in denen die jetzige Wohnung abgelehnt wird", sagt er. "Die werden mehr werden, glauben wir."

In Städten wie Geldern sei die Lage besonders prekär, weil Menschen mit wenig Geld nicht in die Dörfer wollen, sondern dahin, wo sie auf Arbeit hoffen, wo es gute Anbindung an Bus und Bahn gibt und Geschäfte, Ärzte und Krankenhäuser nah sind. Deshalb haben Caritas, Diakonie und die Gemeinde St. Maria Magdalena Bürgermeister Sven Kaiser bereits zu einem Gespräch eingeladen und die Problematik mit ihm erörtert.

Verschärfend kommt in der Stadt die Situation von Flüchtlingen hinzu. Derzeit leben über 300 Menschen in Sammelunterkünften. 78 von ihnen könnten in eigene Wohnungen umziehen, so Tobias Kleinebrahm von der Caritas: "Wenn sie denn eine finden würden."

(RP)
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