Geldern Kinder auf der Flucht - Hilfe in Geldern

Geldern · Wenn Jugendliche ganz allein als Flüchtlinge ankommen, ist das Jugendamt zuständig. Geldern betreut derzeit 19 Fälle dauerhaft. Ihre Schicksale sind für alle Beteiligten belastend. Eine Gesetzesänderung entspannt die Lage etwas.

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Es sind die Notaufnahmeeinrichtungen in Geldern, die das Jugendamt alarmieren, wenn ein Kind ohne Familienanhang auftaucht. Und das passiert oft. Elf Jahre alt ist das jüngste Kind, das derzeit durch das Gelderner Jugendamt betreut wird, die meisten sind zwischen 15 und 17 Jahre alt. Und sie alle tragen Geschichten mit sich herum, die bei ihren Betreuern blankes Bestürzen auslösen.

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"Es erfüllt einen mit tiefer Betroffenheit, was diese jungen Menschen schon haben erleben müssen", sagt Walburga Bons vom Gelderner Jugendamt. "Das sind Schicksale - da hat man selbst dran zu knacken, wenn man nur davon hört."

Weil über die hiesigen Notaufnahmeeinrichtungen im Laufe von kurzer Zeit relativ viele Geflüchtete nach Geldern kommen, ist das städtische Jugendamt vergleichsweise oft mit diesen Fällen konfrontiert. Eine Gesetzesänderung erleichtert nun allerdings die Situation für die Behörde.

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Bis Ende Oktober galt nämlich: In der Gemeinde, in der ein allein reisender Jugendlicher registriert wird, war und blieb das Jugendamt in der Pflicht. Grenznahe Städte wurden dadurch hoffnungslos überfordert: Binnen kürzester Zeit hatten sie Hunderte Kinder und Jugendliche zu versorgen.

Seit dem 1. November nun werden die Minderjährigen - so, wie es bei den Erwachsenen auch gehandhabt wird - über den so genannten "Königsteiner Schlüssel" bundesweit möglichst gerecht auf die Kommunen verteilt. Die Folge für Geldern: "Alle Kinder, die jetzt noch hier ankommen, werden umverteilt", so Walburga Bons. "Denn nach dem jetzigen Stand haben wir die Quote nach dem Königsberger Schlüssel schon mehr als erfüllt." Für 19 "Fälle" ist Geldern zurzeit dauerhaft zuständig. Sechs weitere Jugendliche, die seit 1. November angekommen sind, warten derzeit darauf, dass sie an andere Kommunen "weitergereicht" werden.

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Ob die jungen Leute nun bleiben oder weiterreisen werden: Immer sind es die städtischen Mitarbeiter, die noch in der Einrichtung den ersten Kontakt zu ihnen herstellen. Es folgt "ein Prozedere, in dem immer zwei Sozialarbeiter und ein Übersetzer mit dem Kind intensive Gespräche führen", so Walburga Bons. Dabei wird der Fluchtweg rekonstruiert: "Wir gucken, wo sie vielleicht Angehörige verloren haben." Und es muss geklärt werden, ob nicht doch, wenn auch keine Erziehungsberechtigten, irgendeine Art von Begleitung da ist - ein Bruder, ein Freund, ein Bekannter. Denn dann könnte eine Trennung das nächste Trauma auslösen.

Das Erste, was die minderjährigen Flüchtlinge regelmäßig wollen, ist: irgendwie - telefonisch oder via Internet - die Heimat erreichen. Auch, wenn die Nachrichten dort oft niederschmetternd sind. Walburga Bons erzählt von erschütternden Berichten ihrer Schützlinge nach Telefonaten: "Die sitzen da weinend, erzählen Geschichten von einem Dorf, das vom IS umkreist ist, wo sich seit Wochen keiner mehr aus dem Haus traut. Von nächsten Angehörigen, die entführt worden sind."

Die Arbeitsbelastung der Kollegen sei in diesen Zeiten hoch. "Im Moment funktionieren einfach alle", beschreibt Bons die Lage. "Wir alle tun unser Möglichstes."

Die Kosten, die den Städten durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge entstehen, sollen durchs Land erstattet werden. Ob das vollständig klappt, könne noch niemand abschließend beurteilen, so Bons.

(RP)
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