Issum Kirmes: Die Raupe ist in Issum Kult

Issum · Sie darf auf dem Rummel im Altbierdorf nicht fehlen. Das Fahrgeschäft stammt aus dem Jahr 1926. Und auch die Musik ist noch original, gespielt wird noch von Vinylplatten. Besitzer Peter Buchholz kennt viele persönliche Geschichten.

Issum: Kirmes: Die Raupe ist in Issum Kult
Foto: Seybert Gerhard

Das Rattern und Rütteln hat etwas Besonderes, der Moment, wenn sich der grüne Stoff über die Fahrerkabine senkt etwas Magisches. Darunter hat sich schon mancher heimliche Kuss ergeben. Nur, nach wenigen Sekunden ist alles wieder vorbei. Die Musik läuft weiter. Aber der Zauber ist beendet. Es sei denn, man löst eine neue Fahrkarte.

"Die Raupe ist Kult", sagt Peter Buchholz. Er ist der Mann, der die Geschichten kennt, die sich unter dem Verdeck abspielen. "Jede Geschichte, die mir an der Kasse erzählt wird, ist eine tolle Sache", sagt der Mann aus Oberhausen. Seit 30 Jahren ist er im Geschäft. Nach Issum kommt die Raupe schon seit 63 oder 65 Jahren. So genau weiß er es nicht. Die Issumer werden sagen, die war schon immer da. Jeder, der dem Kinderkarussell entwachsen ist, will da drauf.

Damals, in den Anfängen, "da war es das erste, etwa schnellere Fahrgeschäft", sagt Buchholz. Die Geschwindigkeit, die Aussicht, einmal als "Playboy" oder "Teenager" ausgerufen zu werden, sich auf den Rausch der Geschwindigkeit einlassen, stehen bleiben, auch wenn alle anderen sitzen, das ist es doch.

Ein Gefühl, dass auch Clemens Brüx kennt. Der Issumer Bürgermeister war in seiner Jugendzeit selbstverständlich auch einige Male "Playboy", wie er mit einem Augenzwinkern verrät. Und das am Ende der Fahrt, wenn man sich setzen muss und das Verdeck runter geht, auch schon mal geknutscht worden ist - auch daran kann sich der Oberste aller Issumer erinnern. Es gab halt auch ein Leben vor dem Rathaus...

Knutschen hin oder her: Da ist noch etwas, was die Raupe zum Anziehungspunkt macht auf der Kirmes. Die Musik. Da fällt das Warten auf den nächsten freien Wagen nicht ganz so schwer. Heutzutage dröhnen Rihanna und Co. aus den Boxen. "Damals, da hatten wir Musik, die nicht überall gehört wurde", schwelgt Buchholz in Nostalgie und kramt die Hollies, Rolling Stones und natürlich die Beatles hervor. Musik, die 30 Jahre oder älter ist, die wird auf Wunsch gespielt. "Wir sind stolz darauf, dass wir das noch per Platte abspielen können", bekennt Buchholz. Die Top 100, die würden von CDs abgespielt. "Aber wie Kollegen, die nur noch mit dem Computer arbeiten, das machen wir noch nicht", sagt der Raupe-Besitzer. Aber vielleicht seine Kinder, überlegt er laut. Die sind 25 und 28 Jahre alt und wären die vierte Generation die an den Start geht. Sie sind bereits in das Kirmesgeschäft eingestiegen.

Die Saison der Kirmesleute dauerte üblicherweise von Karneval bis zum Weihnachtsmarktende, verrät Buchholz. Das hat sich verschoben. Der historische Jahrmarkt in der Jahrhunderthalle Bochum sei dazu gekommen. "Selbstverständlich ist die Raupe dabei", sagt Buchholz fast ein wenig empört. Mit 90 Jahren ist sie schon eine alte Dame. "Wenn sie kein Recht darauf hat", sagt der Fahrgeschäftbesitzer und holt aus zur filmreifen Geschichte. "Es erfüllt mich mit Stolz, dass sie nie still gestanden hat." Im Krieg wurde sie versteckt. Vor den Bomben, aber auch, damit sie unversehrt bleibt. In den 1990er Jahren ist sie zuletzt renoviert worden. "Wir wollen aber keinen Stilbruch begehen", betont Buchholz. Vielleicht ist es auch das, die vielen Jahre, die ihr in den Knochen stecken, die sie so anziehend macht, für so viele Generationen.

"Nach Issum fährt man immer gerne", sagt Buchholz. Es liegt auf der Reiseroute sozusagen. Vor ein paar Tagen war er noch in Weeze. Wer den Kult, erleben möchte, der braucht nur die schräg nach oben laufenden Holzdielen hochlaufen, sich ans Tickethäuschen stellen, eine Fahrkarte kaufen, sich in einen Wagen setzen, die Augen schließen und sich den Wind und Popcorngeruch um die Nase wehen lassen.

Auch in diesem Jahr ist die Raupe Teil der Issumer Kirmes. Und das ist auch gut so.

(RP)
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