Straelen "Kölsche Tön" gingen tief unter die Haut

Straelen · Benjamin Brings und Benjamin Hantke verzauberten das Publikum. Ihre Musik war sinnlich, träumerisch, die Texte waren ergreifend.

 Benjamin Hantke (vorne) und Benjamin Brings hatten sie das Publikum im Griff - und die Zuhörer wollten sie nicht mehr von der Bühne lassen.

Benjamin Hantke (vorne) und Benjamin Brings hatten sie das Publikum im Griff - und die Zuhörer wollten sie nicht mehr von der Bühne lassen.

Foto: Seybert

Dieses Konzert hätte eindeutig mehr Besucher verdient. Im Saal des Straelener Hofes spielten Benjamin Brings und Benjamin Hantke "Kölsche Tön"; aber mal ganz anders. Der Kulturring Straelen hatte sich damit getraut, in eine bisher noch nicht gefüllte Nische zu gehen - sicherlich mit diesen beiden Musikern nicht zum letzten Mal.

"We lossen het höösch aanjoan", so Benjamin Brings. Dass er ein Spross der Familie Brings ist, konnte man ihm deutlich ansehen: Dunkle Locken, Vollbart, dunkle Sonnenbrille - aber das typische Schottenkaro fehlte gänzlich. Keine Spur von Karneval. "Höösch" waren seine Lieder; sinnlich eben.

Begleitet wurde der Sänger und Gitarrist von Benjamin Hantke, der in Straelen und Umgebung kein Unbekannter ist. Er und Anita Mysor haben beide in verschiedenen Bands gesungen und Musik gemacht. Bei Johannes Oerding war er Pianist, den Walbecker Singer und Songwriter Michael Weirauch begleitet er zur Gitarre, und derzeit spielt er auch bei der Band "Alive", mit. Deshalb bekam er auch besonders viel Applaus für seine niederrheinische Komposition von "Ek ben enne kölsche Jong".

Benjamin Brings setzt sich mit seinen selbst geschriebenen Liedern auch deutlich von der Sparte "Schunkeln und Mitsingen" ab. Er sieht zwar aus wie ein Rocker, ist aber eigentlich ein Erzähler. Seine Lieder sind sinnlich, seine Stimme so dunkel, wie der ganze Typ. Er singt von seinem Leben, von seinen Träumen. Träumerisch, nachdenklich, manchmal zu Tränen rührend. Diese Musik ging unter die Haut. Das spürte das handverlesene Publikum an diesem Abend. Zu Beginn noch ein wenig unaufmerksam, änderte sich das relativ schnell. Lied um Lied gingen die Menschen immer mehr in der Musik auf.

Benjamin Brings verarbeitet seine Kindheitserinnerungen und das Hier und Jetzt in Texten und Musik. "Mit einem Augenzwinkern will ich Euch einen Blick auf mein Leben geben", erklärte er und kommentierte musikalisch die typisch kölschen Lebensweisheiten "Et kütt wie et kütt und et hätt noch ömmer joet jejange". Er unterlegte ernste Texte mit Rock 'n' Roll, so dass sich das Kopfkino in Gang setzen konnte. Stimmungen wechselten so wie die Melodien.

Das Lied "Gestapo-Zelle", das sein Vater einst geschrieben hat, löste eine Gänsehaut der Erschütterung aus. Vor dem geistigen Auge entstand das Bild des Mädchens, das in der Zelle sitzt und auf den Abtransport der Gestapo wartet. Ihre letzten Gedanken hat Brings in Musik umgesetzt. Das Publikum war nach dem Schlussakkord förmlich erstarrt und es dauerte Sekunden, ehe der Applaus einsetzte.

Nach 90 Minuten Spiel wollten sich die beiden Musiker leise "vom Acker" machen. Das begeisterte Publikum holte sie mit lauten Zugabe-Forderungen wieder auf die Bühne zurück. Erst dann durften sie sich verabschieden.

(lin)
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