Romano Giefer "Monteverdi erfand neue Kirchenmusik"

Geldern · Der Chordirektor der Basilikamusik über das Eröffnungskonzert der diesjährigen Wallfahrtszeit in Kevelaer. Es erklingt die Marienvesper des italienischen Komponisten. Das Werk erinnert stellenweise an den Ruf eines Muezzins vom Minarett.

 Romano Giefer, Chordirektor der Basilikamusik in Kevelaer, hält Claudio Monteverdi für einen Erneuerer der Kirchenmusik im 17. Jahrhundert. Dessen Marienvesper erklingt am 1. Mai in der Basilika.

Romano Giefer, Chordirektor der Basilikamusik in Kevelaer, hält Claudio Monteverdi für einen Erneuerer der Kirchenmusik im 17. Jahrhundert. Dessen Marienvesper erklingt am 1. Mai in der Basilika.

Foto: Gerhard SEybert

Die Marienvesper von Claudio Monteverdi - weshalb und von wem wurde gerade diese Komposition zur Eröffnung der diesjährigen Wallfahrtszeit ausgewählt?

Romano Giefer Ich will das Stück nach Kevelaer holen, seitdem ich hier tätig bin, es ist das marianische Werk der Musikgeschichte überhaupt. Es stellt aber auch eine große Herausforderung dar, denn der innere Bezug des Werkes zum Marienwallfahrtsort und die Bedeutung seiner Aufführung hier erschließt sich eher auf den zweiten Blick.

Welche Bedeutung nimmt Monteverdi in der Musikgeschichte ein?

Giefer Er erfand mit seiner Marienvesper im 17. Jahrhundert eine völlig neue Kirchenmusik. Was in den Gottesdiensten erklang, ergriff die Menschen seiner Zeit nicht mehr wirklich, man empfand die Kirchenmusik als lebensfern. Monteverdi, der ja als Begründer der Oper gilt, legte seine Musik zu Ehren der Gottesmutter als szenisch-dramatischen Entwurf an und schuf darin eine Klangsprache, deren Gemütswallungen man förmlich mit Händen greifen kann.

Wie muss man sich eine solche Musik vorstellen?

Giefer Monteverdi hat sozusagen den Sender am Radio der Musikgeschichte verstellt: Man kann sich der Unmittelbarkeit und Anschaulichkeit kaum entziehen, die einen beim Erleben dieser für den Gottesdienst konzipierten Musik erfasst. Und genau darin liegt die gemeinsame Wurzel zur Wallfahrt.

Inwiefern?

Giefer Dreh- und Angelpunkt dieser Wallfahrt ist ein postkartengroßes Bild, vor das die Menschen auf Augenhöhe treten und es auf Du und Du ansprechen können. In diesem Geist steht auch Monteverdis Marienvesper, eine der menschlichen Seele unmittelbar zugewandte Musik. Die altehrwürdigen biblischen Texte werden darin in einer Art und Weise deklamiert, deren Wucht den Zuhörer über den Affekt erfasst statt über den Intellekt. Hinzu kommt die bewundernswerte Unvoreingenommenheit dieser Musik für das Fremde und Neuartige, die sie in meinen Augen höchst aktuell macht. Sie erinnert stellenweise eher an den Ruf eines islamischen Muezzins vom Minarett als an gut katholisches Gebet.

Wie haben Sie Kontakt zu dem Ensemble bekommen?

Giefer Den haben wir noch Martin Chrost zu verdanken, der bis zum vergangenen Sommer bei uns in der Basilikamusik gearbeitet hat und mittlerweile als Regionalkantor im Bistum Rottenburg-Stuttgart tätig ist.

Was macht gerade die Marienbasilika als Konzertraum so wertvoll?

Giefer Die Basilika ist, was sie ist: ein einzigartiger sakraler Raum. Und jedes Musizieren, das sich in den Dienst dieser Prämisse zu stellen vermag, kann sie zum Himmel auf Erden werden lassen.

Nach dem Eröffnungskonzert: Welche musikalischen Höhepunkte sind im Verlauf der nächsten Wallfahrt-Saison geplant?

Giefer Erste Aufgabe der Basilikamusik ist die Gestaltung der Liturgie, und zwar übrigens sehr im Sinne dieser Marienvesper. Dafür haben wir uns einiges vorgenommen. Ende Mai gibt es ein Open-Air-Konzert mit dem Familienchor auf dem Kapellenplatz, das man in Kevelaer keinesfalls verpassen sollte. Und ab dem Sommer geht der Blick dann schon in Richtung des großen Jubiläumsjahres, das wir musikalisch Anfang April 2017 mit der Johannespassion von Bach eröffnen werden.

Wie ist die Situation für die Basilikamusik?

Giefer Am liebsten gut!

MICHAEL KLATT STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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