Geldern EU-Norm macht Ärger auf der Kirmes

Geldern · Auch ältere Kirmes-Karussells sollen in Deutschland dem neuesten Europa-Standard genügen. In anderen Ländern gelten für die früher gebauten Geräte andere Regeln. Schausteller in Geldern fühlen sich politischer Willkür ausgeliefert.

 Im "Bauch" des Breakdancers erklärt Betreiberin Claudia Vespermann, wie das Ganze aufgebaut ist und funktioniert.

Im "Bauch" des Breakdancers erklärt Betreiberin Claudia Vespermann, wie das Ganze aufgebaut ist und funktioniert.

Foto: Seybert

Das Riesenrad von Michael Burghard prägt das Bild der Gelderner Kirmes. Am Tag vor der Eröffnung wird es geputzt: Männer hantieren oben mit Schwämmen und tropfender Seifenlauge, während sich das gewaltige Gestell langsam dreht. Eigentlich dachte Burghard darüber nach, ein ganz neues Rad anzuschaffen. Aber das hat er erstmal auf Eis gelegt. Er malt eine düstere Zukunft: "Wenn sich nichts tut, dann stehen hier irgendwann die Hälfte der Fahrgeschäfte nicht mehr." Hintergrund: der Streit um eine EU-Norm.

Seit 2005 sollen in Deutschland alle Anlagen - auch die älteren - der neuen EU-Norm für die Sicherheit von Fahrgeschäften entsprechen. In den anderen EU-Ländern gelte Bestandsschutz für die alten, schließlich sicheren, Fahrgeschäfte, sagt Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes und der Europäischen Schaustellerunion. Nur in Deutschland sollten alle Geräte umgebaut werden.

"Wie wollen Sie auf ein altes Karussell eine neue Norm pressen?", schimpft Ritter. Einige Eigentümer haben in teure Umrüstungen investiert, viele hängen rechtlich in der Schwebe, Verfahren laufen. Und bei all dem gehe es nicht mal darum, mehr Sicherheit zu schaffen. "Auch die Sicherheitsbehörden sagen eindeutig: Es gibt kein Sicherheitsmanko. Das sind sichere Anlagen. Es ist ein rein bürokratisches Problem."

Wenn das nicht gelöst wird, sagt Riesenradbetreiber Burghard, "dann kann nur noch ein Idiot sich ein neues Karussell anschaffen". Da wechsele einfach eine Norm von jetzt auf gleich, "und dann kann ich es mir in den Garten stellen".

Eine Institution des Jahrmarktes ist der "Breakdancer". Seit 15 Jahren lassen sich die Gelderner darin durchschütteln. Er ist Baujahr 1985: "Der allererste, der gebaut wurde. Das Original", sagt Betreiberin Claudia Vespermann stolz. Aber natürlich nicht EU-normgerecht.

Absurde Situationen ergeben sich daraus, erzählt Albert Ritter: "Wenn der Breakdancer für 90 Tage im Fantasialand steht, dann ist er ein ,Bauwerk'" - da spielt diese Norm keine Rolle. Auf der Kirmes gilt das gute Stück aber als Fahrgeschäft, da sieht die Sache anders aus.

Claudia Vespermann ist zuversichtlich, dass alles sich zum Guten wenden wird. Alles andere wäre doch nicht denkbar, meint sie: "Ich glaube, dass ich noch in zehn Jahren mit dem Breakdancer reisen kann". Eine andere neue Vorgabe macht ihr derzeit noch mehr zu schaffen: Die eingeführte Arbeitszeit-Begrenzungen im Zuge des Mindestlohns.

Ums Geld gehe es nicht: "Wir bezahlen gut." Aber streng geregelte Arbeits- und Ruhezeiten seien mit dem Kirmes-Ablauf praktisch kaum zu vereinbaren. Gerade für kleinere Geschäfte mit wenig Personal sei das "kaum umsetzbar", sagt sie: "Man stößt an seine Grenzen."

(RP)
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