Geldern Schlüsseldienst-Prozess: Hunderttausende Kunden betroffen

Geldern · Die gigantischen, dadurch regelrecht absurd wirkenden Ausmaße der mutmaßlichen Abzocke bei Schlüsseldiensten wurden gestern konkreter. Verhandelt wird beim Mammut-Prozess um die "Deutsche Schlüsseldienst Zentrale" am Landgericht in Kleve gegen einen 57-Jährigen aus Geldern und einen 39-Jährigen aus Weeze.

Schlüsseldienstbetrug - Prozessauftakt in Kleve
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Schlüsseldienstbetrug - Prozessauftakt in Kleve

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Foto: dpa, rwe axs

Um ein klares Bild darüber zu erhalten, wie enorm die angeblichen Verstrickungen waren, sagte ein auf Betrug spezialisierter Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft aus.

Es wurde klar, dass über die Jahre zahllose Einzelfälle zusammenkamen, bis registriert wurde, dass anscheinend ein größerer Bezug zwischen verschiedenen, einzeln auftretenden Schlüsseldienst-Monteuren bestand.

2009 landete das Thema erstmals auf dem Tisch des betreffenden Sachbearbeiters. Ende 2015 hatte er über 400 Fallakten vorliegen und empfahl eine Durchsuchung des Vermittlungszentrums in Geldern. Warum die Bearbeitung rund sechs Jahre in Anspruch nahm, "kann ich auch nicht nachvollziehen", erklärte er.

Rund 710.000 Aufträge seien innerhalb der Jahre über den Vermittlungsdienst der Beschuldigten in Deutschland, aber auch Österreich, vermittelt worden, sagte der Fachmann aus. Davon ist allem Anschein nach die Hälfte noch unbezahlt, da sich die betroffenen Kunden geweigert hatten, die angeblich oft absurd hohen Rechnungen zu begleichen. Aus den ausgewerteten Quellen wie Vorladungen und Beschwerden ergaben sich laut dem Betrugsexperten Tausende von Betroffenen.

Regionale Schwerpunkte gab es nicht, sagte später ein Zeuge aus Moers aus, der von Februar bis Oktober 2015 als Monteur gearbeitet hatte und Aufträge vom Gelderner Callcenter der "Schlüsseldienst Zentrale" angenommen hatte. Er sei ohne vorherige Ausbildung direkt von anderen Monteuren angelernt worden, habe hauptsächlich bei der Zentrale seine speziellen Utensilien eingekauft und selbstständig eine eigene Schlüsseldienst-Firma gegründet, erläuterte er. Er sagte aus: "Wenn du selbstständig bist, dann gibt es Aufträge, hieß es."

Im weiteren Verlauf der Befragung widersprach der Mann seinen früheren Angaben bei der der Polizei, als es darum ging, ob er den Auftrag hatte, Kunden noch weitere "Sicherheitsberatungen" und Hilfsmittel zu verkaufen. "Also, ich meine, na klar war das üblich, dass man noch Hinweise auf Sicherheitsmängel gibt und so, aber das machte jeder", lenkte er ein.

Ebenfalls habe er Verträge unterschrieben, ohne zu wissen, was in ihnen stand. "Und wie man die Kosten berechnete, das zeigten mir andere Monteure", erzählte der Mann weiter. Feste Kosten-Listen gab es offenbar nicht: Die Preise sollen nach Hörensagen festgelegt worden sein.

(cnk)
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