Schlüsseldienst-Prozess in Kleve Mitarbeiter hielten Geschäft für Abzocke

Kleve · Am vierten Tag im Prozess um die "Deutsche Schlüsseldienst Zentrale" kamen am Mittwoch im Klever Landgericht ehemalige Beschäftigte zu Wort. Sie berichteten von dubiosen Arbeitsanweisungen, Entscheidungen zum Nachteil der Kunden und Streben nach Profit.

Schlüsseldienstbetrug - Prozessauftakt in Kleve
5 Bilder

Schlüsseldienstbetrug - Prozessauftakt in Kleve

5 Bilder
Foto: dpa, rwe axs

Im Prozess um die mutmaßliche Abzocke beim Schlüsseldienst am Klever Landgericht wurden Mittwoch fünf ehemalige Mitarbeiter der "Deutschen Schlüsseldienst Zentrale" befragt. Drei von ihnen gehörten über Jahre dem Callcenter an, zwei kamen in der Buchhaltung zum Einsatz.

Gegen einen 58-Jährigen aus Geldern und einen 39-Jährigen aus Weeze wird wie berichtet wegen Betrugs, Wucher und Steuerhinterziehung verhandelt. Zunächst sagte eine 32-jährige Hausfrau aus Issum aus, die ab September 2007 im Callcenter arbeitete. Sie bekam am Anfang ein Festgehalt von 1100 Euro, später ein Festgehalt von 500 Euro und drei Prozent Umsatzbeteiligung als Provision. Ihre Aufgabe war es, die Aufträge aus ganz Deutschland entgegenzunehmen und einen Monteur zu beauftragen. Per Computer wurde die Liste der Monteure in der jeweiligen Umgebung gezeigt. "Wir wurden aber von den beiden Chefs angehalten, den Monteur mit dem höchsten Umsatz zu nehmen, auch wenn der weiter entfernt vom Einsatzort war", erzählte die Frau.

Zu Beginn ihrer Tätigkeit lag die Notdienstpauschale bei 69 Euro plus 29 Euro Anfahrt. "Später durften wir keine Preise mehr nennen. Wir mussten sagen: Der Monteur schaut sich vor Ort an, was zu tun ist", so die Zeugin. Dann sei sie überredet worden, Handelsregistereinträge unter ihrem Namen zu machen, um die Werbung voranzutreiben. Sie sei aus allen Wolken gefallen, als sie durch einen falsch adressierten Brief der IHK feststellen musste, dass auf ihren Namen ein Gewerbe angemeldet worden war, für das deutschlandweit im Telefonbuch und Internet geworben wurde. "Dabei hatte ich nichts unterschrieben." Im März 2009 kündigte sie, weil es immer mehr Probleme gab. "Bis heute kämpfe ich darum, die ganzen Einträge im Internet zu löschen", erzählte sie unter Tränen. Ob sie denn den Eindruck habe, dass sein Mandant ein Verbrecher sei, fragte der Verteidiger des jüngeren Angeklagten. "Meines Erachtens schon", sagte sie.

Eine ähnliche Aussage machte ein heute 30-Jähriger, der im April 2007 im Callcenter in Geldern anfing. 2013 wurde ihm gekündigt, er erstritt vor Gericht eine Abfindung. Als er in der Zeitung von den Vorwürfen gegen die "Schlüsseldienst Zentrale" las, ging er mit einem Karton voll Unterlagen zur Staatsanwaltschaft. "Das ganze Unternehmen ist auf Abzocke ausgerichtet, früher kostete es 69 Euro, später beschwerten sich die Leute bei mir über Rechnungen von 700 und 800 Euro."

Etwas dubios schien auch die Gründung des "Verbands Deutscher Schlüsseldienste", dem laut Zeugenaussagen alle Mitarbeiter und Monteure beitreten sollten. Fast alle der Zeugen waren als Gründungsmitglieder des Verbands aufgelistet, teilweise ohne es zu wissen, wie sie angaben.

Zusätzliche Aufgaben — wie die Übernahme des Geschäftsführerjobs einer neu gegründeten Firma, des Kassierer-Postens im Verband oder Nachtdienste — wurden als 400-Euro-Jobs zusätzlich entlohnt, erzählte der Buchhalter, der für kurze Zeit auch als Geschäftsführer einer Immobilien-Verwaltungs-GmbH fungierte. "Damit wollte ich den Angeklagten einen Gefallen tun", sagte der 35-jährige Mann aus Geldern. "Das war wohl blauäugig", gab er zu.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort