Issum Schwimmmeisters Frust und Freude

Issum · Sommerzeit, Ferienzeit: Mehrere Menschen in NRW sind zuletzt beim Baden ertrunken. Einer, der ein Lied von der Unvernunft der Menschen singen kann, ist Johannes Wynhoven. Er war 40 Jahre lang Schwimmmeister in Sevelen.

 Johannes Wynhoven hat im Sevelener Freibad viel erlebt. Dreimal hat der 61-Jährige eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durchgeführt. Bei dem letzten Einsatz dieser Art erhielt er noch nicht mal ein Wort des Dankes von den Angehörigen.

Johannes Wynhoven hat im Sevelener Freibad viel erlebt. Dreimal hat der 61-Jährige eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durchgeführt. Bei dem letzten Einsatz dieser Art erhielt er noch nicht mal ein Wort des Dankes von den Angehörigen.

Foto: Thomas Binn

Das Becken ist nur mäßig bevölkert. Doch der Mann mit Shorts, Polohemd und Sonnenbrille muss das Geschehen nur wenige Minuten beobachten, da entdeckt er Unerfreuliches. "Wie die da den Ball über weite Entfernungen werfen, das ist nicht jedermanns Sache", sagt er. Nicht erst, wenn jemand die Plastikkugel ins Gesicht kriegt, ist es ärgerlich. Das Becken ist eben für die Schwimmer da. Übers Wasser springende Bälle sind allerdings eine Lappalie verglichen mit dem, was der Mann in Shorts mit der Unvernunft von Badegästen erlebt hat. Johannes Wynhoven heißt er. 40 Jahre lang war er Schwimmmeister im Hexenland-Bad in Sevelen.

"Das gibt es nicht", ist der Satz, der dem heute 61-Jährigen während seiner Dienstzeit immer wieder entfuhr. Selbst schmerzhafte Erfahrungen verleiteten manchen nicht zur Vorsicht. Wie den Jungen, der beim Sprung vom Ein-Meter-Brett mit dem Hinterkopf auf dem Beckenrand aufschlug. "Nach acht Tagen Krankenhaus kam er wieder und machte das Gleiche noch mal." Zum Kopfschütteln auch der ältere Herr, der an der Rutsche auf ein kleines Kind wartete, abgelenkt wurde und nicht merkte, wie das Kind hinter seinem Rücken im Schwimmreifen kopfüber im Wasser hing.

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Überhaupt die Rutsche: Dort kommt es immer wieder zu Blessuren. "Da taucht immer einer vor der Rutsche herum", weiß Wynhoven. Der Zusammenprall kann heftig sein. Auch, wenn Eltern ihre Sprösslinge auffangen wollen. "Besser an der Seite stehen, das Kind außen rutschen lassen und dann aus dem Wasser ziehen", rät der erfahrene Schwimmmeister. Und: Bei Kindern unter sieben Jahren nie die elterliche Aufsichtspflicht verletzen, selbst am Planschbecken nicht. Das war zum Beispiel einem Ehepaar herzlich egal, das sein einjähriges Kind auf der Treppe des Nichtschwimmers absetzte, um ungestört im Schwimmerbecken seine Bahnen zu ziehen.

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Foto: dpa/Thomas Warnack

Startblocks bergen, unsachgemäß benutzt, Verletzungsgefahr. "Gerade wenn Gruppen Fangen spielen, wird jemand heruntergeschubst", berichtet Wynhoven. Werden die Beine weggeschlagen, kippt der Betroffene nach hinten und schlägt mit dem Oberkörper oder Kopf auf. Gleiches passierte bei einem Huckepack-Sprung vom Drei-Meter-Brett, als der Obermann in Rückenlage geriet und den Turm touchierte. Heikel wird es, wenn die Springer die Bahnen des benachbarten Bretts kreuzen. Und wenn sich Taucher in den Sprungbereich wagen. Einen 26-Jährigen, der wie wild immer wieder vom Rand ins volle Becken sprang, musste der Schwimmmeister zur Ordnung rufen - und sich deswegen von dessen Mutter ausschimpfen lassen.

Manchmal geht es um Leben und Tod. "Dreimal in meinem Berufsleben als Schwimmmeister musste ich eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durchführen", erzählt der 61-Jährige. Beim letzten, sehr kritischen Einsatz, bekam er ungeahnte Hilfe. DLRG-Mitglieder setzten unaufgefordert den Notruf ab, wiesen die Rettungskräfte ein, holten Rettungsgeräte und Sauerstoff. Besucher bildeten einen Absperr-Ring um die Unfallstelle und sorgten für Schatten, die Polizei übernahm die Dokumentation. Worte des Dankes von den Angehörigen der Geretteten?

Fehlanzeige.

Wynhoven hatte in den vier Jahrzehnten aber auch schöne Erlebnisse. "Glückliche Kinderaugen und stolze Eltern oder Großeltern sah ich, wenn die Sprösslinge eine Schwimmprüfung geschafft haben." Wobei Kinder mit Seepferdchen noch nicht zu den Schwimmern gehören und von den Eltern immer begleitet werden sollten. Traurig ist der Experte über die abnehmende Schwimmfähigkeit der Jungen und Mädchen. "DLRG- und VHS-Kurse nutzen", rät er, wenn schon der Schulunterricht unzureichend ist. Ein Pärchen wollte vom Drei-Meter-Brett springen und bat Wynhoven, das auf einem Foto festzuhalten. Das sollte mit dem Titel "Sprung ins Glück" auf die Hochzeitseinladungen gedruckt werden. Hin und wieder bekam der Schwimmmeister Unterstützung von oben. Er erinnert sich daran, wie er vor rund 20 Jahren bei aufziehendem Gewitter einen Schwimmer partout nicht aus dem Wasser bekam. "Doch dann schlug der Blitz ins Drei-Meter-Brett ein. Da war die Diskussion ganz schnell beendet."

(RP)
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