Sportgeschichte Als Gymnastik einfach nur Turnen hieß

Straelen · Die Straelenerin Adele Hellmann erinnert sich an die Anfänge der Turnabteilung des SVS. Denn die 78-Jährige leitet den Gymnastikkurs seit 40 Jahren. Für dieses Ehrenamt wird die Übungsleiterin ausgezeichnet.

 Mit Reifen turnte man früher wie heute. Allerdings hat sich die Trainingskleidung deutlich verändert. Die hautengen Turnanzüge haben ausgedient.

Mit Reifen turnte man früher wie heute. Allerdings hat sich die Trainingskleidung deutlich verändert. Die hautengen Turnanzüge haben ausgedient.

Foto: seyb/dpa

Wenn Adele Hellmann die Sporthalle betritt, dann ist sie in ihrem Element. Wie selbstverständlich geht sie zum Schrank und schnappt sich ein knallrotes Terra-Band. Dann legt die 78-Jährige los — das Alter spielt auf einmal gar keine Rolle mehr. Sie turnt aber nicht für sich allein. Jeden Montag steht sie vor einer Gruppe Frauen und leitet sie an. Und das seit nun 40 Jahren. Dafür wurde sie gestern vom SV Straelen geehrt. Dem Verein selbst ist sie schon mehr als fünf Jahrzehnte treu.

Sportgeschichte: Als Gymnastik einfach nur Turnen hieß
Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

"Gymnastik" nennt sich das, was sie jeden Montag macht. "Damals hieß das noch Turnerfrauen", erinnert sich die vierfache Urgroßmutter an die Anfänge der Turnabteilung des SVS. Angefangen hatte sie im September 1973 als nebenberufliche Sportkraft an der Grundschule Straelen für die Kinder. Die Lehrpersonen wollten auch Turnen, brauchten aber jemanden, der sie anleitet. Zu den Lehrpersonen gesellten sich später Frauen aus einem Kegelclub und viele andere. Offiziell existiert die Turngruppe seit dem 1. April 1974 beim SV Straelen.

"Da haben wir noch an den Geräten geturnt", erinnert sich Hellmann. Gearbeitet wurde mit dem großen Kasten, Bänken und Barren. "Hör mal, können wir nicht was Anderes machen" hieß es nach gut einem Jahr aus dem Kreis der Frauen und Hellmann ließ sich etwas einfallen. "Ich habe zu Hause geübt und probiert", sagt die heute 78-Jährige. Und dann kam ihr die Idee mit der Musik. "Das lockert ja auch das Sportprogramm ein bisschen auf", sagt die Übungsleiterin.

Ab da nahm sie neben der Sporttasche jede Woche auch Schallplatten und den Schallplattenspieler von zu Hause mit. Bis der Hausmeister Mitleid hatte. "Der Bouten Hans sagte, dass er den für mich einschließt", erinnert sich Hellmann. Ab sofort gab es Gymnastik zu James Last. Später kamen die Kassetten. "Die brauche ich zum Teil heute noch", sagt die sportbegeisterte Straelenerin. Die Kirmesmusikanten und Marschlieder sind heute noch genauso beliebt wie damals. "Das passt vom Rhythmus zu den Übungen", findet Hellmann.

Neben der Musik hat sich vor allem auch die Kleidung verändert. "Früher haben wir eine Art Body als Turnanzug getragen — in schwarz oder blau", erinnert sich die Trainerin. "Dazu gab es diese Trainingsanzüge, die innen gefüttert waren und unten am Bein mit einem Gummizug endeten. Heute sind die Gymnastikhosen viel bequemer und atmungsaktiver." Jetzt trainieren "ihre Frauen" vor allem in Leggings und T-shirts. Und auch die Hygiene habe sich stark verändert. "Damals duschte man nicht wie heute nach dem Sport, es gab schließlich nur einmal die Woche einen Wasch- und Badetag", erinnert sich Hellmann.

Was jedoch nahezu gleich geblieben sind, "sind die Übungen, die wir machen", erläutert Hellmann. "Wir haben nur mittlerweile viel mehr Hilfsmittel — wie etwa die Tera-Bänder. Doch die Straelenerin greift auch gerne auf alte Kleingeräte wie etwa die "Holzkeulen" zurück, eine Art Hantel mit ganz wenig Gewicht. Auch die großen Reifen, mit denen früher bereits gerne geübt wurde, baut Hellmann regelmäßig in ihr Training ein.

Begleitet haben sie über die Jahrzehnte nicht nur die Musik und verschiedene Trainingsgeräte, sondern auch treue Weggefährtinnen. Dazu zählen die drei Schwestern Edith Bocksteger-Verbeek, Gerti Jansen und Hermy Tophoven. Die älteste Schwester der Dreien wird in diesem Jahr 94 Jahre alt, die jüngste kommt mit 86 Jahren immer noch zum Training. Von Hellmann kann sie jetzt auch Pilates und Qi Gong lernen. Denn die 78 Jahre alte Trainerin, die bereits vierfache Urgroßmutter ist, hat im vergangenen Oktober erst ihren Übungsleiterschein erneuert.

Ans Aufhören denkt Hellmann nicht. "Mein Übungsleiterschein geht noch bis zum 31. Dezember 2016 und wenn ich es gesundheitlich schaffe, mache ich bis dahin weiter." Immer donnerstags leitet sie zudem eine Wassergymnastikgruppe des SV Straelen. "Montags trocken, donnerstags nass" lautet daher die persönliche Fitness-Devise der Straelenerin, die mit ihrem Enthusiasmus schon viele Kinder, Frauen und Männer auf Trab gehalten hat. "Weil es Spaß macht", nennt sie ihre persönliche Motivation, "wenn ich sehe, mit welcher Begeisterung die Frauen dabei sind." Dann packt sie wieder ihre Sporttasche, geht in die Halle und ist in ihrem Element.

Training Montags findet um 19 bis 20.15 Uhr der Gymnastikkurs in der Turnhalle der Straelener Grundschule statt. Donnerstags veranstaltet Hellmann von 18 bis 19 Uhr die Wassergymnastik im Wasserstraelen. Weitere Infos unter Telefon 02834 8422.

(bimo)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort