Kampfsport Kämpfen ja - aber bitte gewaltfrei

Geldern · 250 Sportler aus der gesamten Region führen beim GSV Geldern die chinesische Kampfkunst Taiwan Do vor.

 In kleineren Gruppen führen Kampfsportler aus der Region verschiedene Übungen aus dem Taiwan Do vor. Sie trainieren in einem Großlehrgang beim GSV Geldern für ihre Prüfungen in rund vier Wochen.

In kleineren Gruppen führen Kampfsportler aus der Region verschiedene Übungen aus dem Taiwan Do vor. Sie trainieren in einem Großlehrgang beim GSV Geldern für ihre Prüfungen in rund vier Wochen.

Foto: siwe

Lautes Atmen und Zischen erfüllt die Bollwerkhalle. Zunächst ein wenig befremdlich — zumindest für Zuschauer, die sich noch nie mit Taiwan Do beschäftigt haben. Doch sobald ein Besucher dem lauten Zischen, also der "Drachenatmung" folgt, findet er eine Kulisse von rund 250 Kampfsportlern jeden Alters mit bunten Gurten und Drachen, Schildkröten oder Skorpionen auf dem Rücken, die synchron ihr Training vorführen. Hinter alledem steckt die Kunst des Taiwan Do, die aus der Gesundheitslehre "Thai Chi Chuan" und aus der Kampfkunst "Kung-Fu Wushu" besteht. Zweimal jährlich treffen sich die Sportler verschiedener Taiwan-Do-Schulen zu einem Großlehrgang, der sie auf die Prüfungen vorbereitet. Diesmal trainieren sie dafür in Geldern.

Mario Frerker, Begründer des Taiwan Do in Deutschland, steht am Rand der Gelderner Halle und schaut seinen Schützlingen zu. Für ihn ist es besonders wichtig, dass Taiwan Do nicht mit dem ähnlich klingenden Kampfsport Taekwondo verwechselt wird: "Kampfsport ist immer wettkampforientiert. Mit den Wettkämpfen zeigt man Kindern und Jugendlichen, dass Gewalt förderlich ist. Im Taiwan Do hingegen versuchen wir mit Kommunikation, Atmung und richtiger Gestik und Mimik Gewalt zu vermeiden." Daher gibt es in seinem Training anstatt von Wettkämpfen nur Partnerphasen. Dort weiß jeder der beiden Teilnehmer, wie der jeweils andere handelt. So entstehe eine harmonische Bewegung miteinander.

In der Bollwerkhalle endet die Vorführung in großer Gruppe gerade. Nun präsentieren die Athleten ihren Sport in kleineren Gruppen — je nach Farbe der Gurte. Frerker erklärt: "Je dunkler der Gurt, desto erfahrener der Sportler." Zunächst ist der Nachwuchs dran. Die Kinder führen Angriffs- und Abwehrbewegungen vor. "Das ist ein harmonisches Bild. So lernen die Kinder, wie man sich in Extremsituationen verteidigt", sagt Frerker und schiebt nach: "Hoffentlich müssen sie die Fähigkeiten nie einsetzen." Im Taiwan Do gilt der Einsatz von körperlicher Gewalt als letzte Option und niedrige Handlung. "Taiwan Do ist eine intelligente Kampfkunst, in der zunächst versucht wird, aus der Körpersprache des Gegenübers zu lesen und darauf zu reagieren", erklärt der Stilbegründer.

Dass Taiwan Do für jede Altersklasse geeignet ist, zeigt der älteste Teilnehmer im Kampfkunstbereich, Georg Groß (61). Er ist seit 49 Jahren aktiv und von der Wirkung des Taiwan Do überzeugt: "Besonders in meinem Alter ist es wichtig, dass ich nicht nur Sport treibe, sondern auch die anderen Ausbildungssäulen des Taiwan Do nicht vernachlässige", sagt er. Sprich: die Atmung, Haltung, Konzentration, Bewegung und Lebensphilosophie. Mit diesem Konzept versucht Groß nicht nur den Sportbegeisterten, sondern auch Beeinträchtigten zu helfen. Er erklärt: "Die Gesundheitslehre des Taiwan Do hilft, sich zu konzentrieren und zur Ruhe zu kommen. Das können beeinträchtigte Kinder und Erwachsene besonders gut. Daher praktiziere ich die Gesundheitslehre nun schon seit 20 Jahren in Behindertenheimen."

Auch besonders junge Teilnehmer sind in der Bollwerkhalle anzutreffen — wie Elias Pasch (9) und Jennifer Wacker(15). Elias ist seit einem Jahr beim Taiwan Do und erzählt: "Wir machen viele Spiele und das Training macht immer Spaß. Außerdem will ich unbedingt meinen nächsten Gurt schaffen, den Gelbgurt. Dafür muss ich gut aufpassen und mir merken, was die Trainer mir zeigen." Jennifer hingegen trägt schon einen grünen Gurt und versucht bald den Blaugurt zu bekommen. "Ich bin seit acht Jahren im Verein und kann mir nicht mehr vorstellen, eine andere Sportart zu machen", sagt sie.

Ganz ohne Wettkampfgedanke geht es somit doch nicht. "Wenn die Kinder noch sehr jung sind, sehen sie das Erlangen der Gurte als Motivation, um die Atemtechniken zu erlernen", sagt GSV-Abteilungsleiter Ralf Ouwens. "Später verstehen sie jedoch, dass hinter der Ausbildung die Idee eines gesunden Lebens ohne Gewalt steckt."

(sadj)
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