Fußball "Mein Mann soll für die Schweiz mitfiebern"

Geldern · Martina Voss-Tecklenburg trainiert seit 2012 die Schweizer Frauenfußball-Nationalmannschaft, die zum ersten Mal an einer WM teilnimmt.

 Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg gibt beim schweizer Frauenfußball-Nationalteam seit drei Jahren die Richtung vor.

Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg gibt beim schweizer Frauenfußball-Nationalteam seit drei Jahren die Richtung vor.

Foto: DPA Alliance

Obwohl Sie Trainerin der schweizer Nationalmannschaft der Fußballfrauen sind, sehen Sie sich immer noch als Straelenerin. Heute geht es ins Flugzeug zur Weltmeisterschaft nach Kanada, am Mittwoch gab es ein letztes Vorbereitungsspiel gegen die Deutsche Nationalmannschaft. Aktuell bedeutet das ganz schön viel Stress, oder?

Martina Voss-Tecklenburg Ja, das ist richtig. Aber es muss auch nicht stressfrei sein. Ich nehme die vier Wochen Stress gerne in Kauf. Kein Stress hätte ja auch bedeutet, keine Weltmeisterschaft. Danach gibt es außerdem drei Wochen Urlaub, das steht schon fest.

Welche Ziele haben Sie sich mit Ihrer Mannschaft für die Weltmeisterschaft gesetzt?

Voss-Tecklenburg Wir sind ja absolute WM-Neulinge und aus meiner Sicht haben wir mit Japan, Kamerun und Ecuador eine schwere Gruppe bekommen. Das Viertelfinale wäre für uns in etwa so, als wenn andere ins Finale kommen und vielleicht sogar den Weltmeisterschaftstitel gewinnen. Das sage ich als Trainerin. Ansonsten wäre Gruppenzweiter zu werden und ins Achtefinale zu kommen, auch schon ein Riesenerfolg.

Auftakt ist für Ihre Mannschaft am Montag, 8. Juni, das Spiel gegen Japan. Die waren 2011 Weltmeister. Angstgegner ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, aber wie begegnen Sie der japanischen Mannschaft?

Voss-Tecklenburg Ich habe mir vor kurzem noch das Spiel der Japaner gegen Italien angeschaut. Das hat mich sehr beeindruckt. Die Meistermannschaft 2011 spielt wie eine Vereinsmannschaft, wie ein Bienenschwarm halten sie zusammen. Selbst auf dem Kunstrasenplatz ist da viel Ballsicherheit. Sie sind für mich absoluter Gruppenfavorit.

Was ist mit Ihren anderen beiden Gruppengegnern?

Voss-Tecklenburg Kamerun besitzt eine sehr zweikampfstarke Mannschaft. Ecuador ein südamerikanisches Team, das noch nie bei einer Weltmeisterschaft vertreten war.

Spielt das unterschiedliche Temperament eine Rolle?

Voss-Tecklenburg Absolut. Ecuador ist zwar WM-Neuling, hat aber ein sehr junges Team mit viel Selbstbewusstsein. Das wollen wir besiegen. Kamerun tritt sehr zweikampfstark auf und ist gut durchtrainiert. Die haben in ihren Reihen zwei schnelle Stürmerinnen, die wir wir erst einmal knacken müssen. Und um noch einmal auf Japan zurückzukommen: Die Asiaten spielen technisch sehr hochwertig und haben eine unheimlich hohe Disziplin. Sie kämpfen bis zum Ende, das entspricht der asiatischen Mentalität.

Wie lautet Ihre persönliche Einschätzung bezüglich des Abschneidens der deutschen Nationalmannschaft bei der WM?

Voss-Tecklenburg Deutschland hat ein Qualitätsteam, das um den WM-Titel mitspielen wird. Wie das Männerteam, so ist auch die Frauen-Mannschaft Deutschlands eine Turniermannschaft, die lange an sich glaubt. Es ist vielleicht ein Vorteil, dass sie die WM 2011 nicht gewonnen haben. Dadurch sind sie hungrig geworden. Beim Vorbereitungsspiel haben wir einmal mehr gesehen, dass eingewechselte Spieler die Qualität verbessern und das Spiel noch einmal umbiegen können.

Worin sehen Sie die Stärken Ihrer Schweizer Mannschaft?

Voss-Tecklenburg (lacht) Natürlich verfügen meine Spielerinnen auch über Stärken. Mit mir als Trainerin aus Deutschland sind zwei Kulturen aufeinandergetroffen. Die Schweizer haben das Bewusstsein, wenn sie von etwas überzeugt sind, dann marschieren sie richtig mit. Außerdem haben die Spielerinnen Selbstbewusstsein getankt. Ihr Anspruch an die eigene Leistung ist gestiegen.

Wie würden Sie die Spielweise bezeichnen?

Voss-Tecklenburg Wir spielen europäisch. In meinem WM-Kader sind 13 Spielerinnen, die in deutschen Bundesligavereinen spielen. Wir werden also innerhalb unserer Mannschaft hoffentlich ein Stück deutschen Willen mit nach Kanada nehmen.

Werden Sie sich auch die Partien der deutschen Nationalmannschaft anschauen?

Voss-Tecklenburg Man versucht natürlich, sich so viele Spiele wie möglich anzusehen. Man wird allein schon deshalb eine Auswahl treffen müssen, weil einige der Begegnungen parallel ausgetragen werden. Neben den Fernsehbildern hilft uns auch ein Analyseteam vor Ort.

Ist ein Spiel gegen Deutschland denkbar?

Voss-Tecklenburg Ja, tatsächlich. Es gibt nur wenige von vielen möglichen Konstellationen, in denen wir im Achtel- oder Halbfinale auf Deutschland treffen würden.

Wären Sie da in einer Zwickmühle als Deutsche?

Voss-Tecklenburg Nein, überhaupt nicht. So ein Spiel wäre ein Traum für uns. Auch beim Vorbereitungsspiel am vergangenen Mittwoch gegen Deutschland befand ich nicht in einer Zwickmühle. Ich war durch und durch für das schweizer Team. Als Trainerin ist man mit seinem Herzen immer bei der Mannschaft, für die man Verantwortung trägt. Das Spiel gegen Deutschland hat mir gezeigt, das wir eine Menge erreicht haben, auch wenn wir 3:1 verloren haben. Wir haben allerdings noch viel Potenzial nach oben.

Für wen sollen denn nun die Niederrheiner, speziell die Straelener, während der WM-Übertragungen die Daumen drücken? Deutschland oder der Schweiz?

Voss-Tecklenburg Beiden natürlich. Da wir bei der WM in unterschiedlichen Vorrundengruppen antreten, ist das zunächst nicht schwierig. Es wäre toll, wenn die Straelener Fußballanhänger auch uns Schweizern die Daumen drücken.

Und wenn die Schweiz auf Deutschland treffen sollte?

Voss-Tecklenburg (lacht) Wenn wir tatsächlich gegen Deutschland spielen sollten, dann muss natürlich jeder selbst entscheiden, für wen er mitfiebert. Ich erwarte nur von meinem Mann, dass er für die Schweiz ist.

DIE FRAGEN STELLTE BIANCA MOKWA.

(bimo)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort