Laufen Zieleinlauf vor Stacheldraht

Beim ersten Ponter Jail-Run liefen Häftlinge, Bedienstete und Gastläufer aus Vereinen über zehn und 15 Kilometer innerhalb der Mauern der JVA Geldern. Das Signal, das sie gaben: Auf der Strecke sind alle gleich.

Die Dramaturgie war wirklich was fürs Herz: Nach zehneinhalb Runden und 9,9 Kilometern liefen die zwei Führenden gleichauf durch die geöffneten Stahlzauntore und schließlich nach 43:11 Minuten Hand in Hand über die Ziellinie. Frank L., der über die gesamte Distanz als Kopf des Teilnehmerfeldes gleichmäßig vorneweg gelaufen war, musste sich in der letzten Runde vom wesentlich jüngeren Rolf S. einholen lassen.

"Wir hatten beide nichts mehr zuzulegen", so Frank L. über die Schlussphase, "da haben wir uns abgesprochen." Im Ziel wurden beide Läufer von allen Seiten beklatscht und umarmt. Das Duo wird in die Geschichte als Premieren-Sieger eingehen. Nicht irgendeines Laufes, sondern des Ponter Jail-Run — einem Lauf in der JVA Geldern.

Zehn Kilometer zwischen meterhohen Mauern und mit Stacheldraht bewehrten Zäunen auf Knast-Asphalt — das war auch für Hermann Steldermann etwas Neues. Doch der erfahrene Läufer des GSV Geldern sagte im Ziel beeindruckend unbeeindruckt: "Auf der Strecke waren alle gleich. Ich habe mich mit den Männern links und rechts unterhalten, es war ein ganz normaler Lauf." Das Problematischste sei noch die kurze Runde von 950 Metern gewesen.

"Alle haben durchgezogen"

Häftlinge, Gefängnisbedienstete und Gastläufer aus Gelderner und Kevelaerer Vereinen gingen gemeinsam auf die Strecke. "Diese Durchmischung ist uns besonders wichtig", sagte JVA-Leiter Michael Metzner. Es war aber auch schon das Ungewöhnlichste. Ansonsten sah alles wie bei den bekannten Volksläufen aus. Die Läufer trugen die passenden Shirts, im Start-Ziel-Bereich standen Pavillons, trällerte Musik über Boxen, Urkunden und Medaillen für die Finisher lagen bereit, sogar ein Sponsorenbanner war aufgespannt.

Die Strecke war im Vorfeld offiziell vermessen und vom Verband abgenommen worden. Dietmar Kantner, Sportkoordinator in der JVA, sagte: "Wir wollen mit diesem Lauf — und auch in anderen Sportarten — zeigen, dass innerhalb dieser Mauern ebenso Sport betrieben wird wie draußen." Über den Ehrgeiz unter den Gefangenen war jedoch selbst er ziemlich erstaunt: "Zum Training für diesen Lauf haben sich Jungs gemeldet, von denen ich das nie gedacht hätte. Und alle haben durchgezogen."

Auf der Strecke gab es dann doch vereinzelte Opfer, die ihrem zu hohen Anfangstempo oder Verletzungen Tribut zollten und ausstiegen — sie wurden jedoch genauso beklatscht wie alle Läufer, die die Ziellinie überquerten. Von Mithäftlingen, Angestellten und der versammelten Anstaltsleitung. Da lobte auch der ehemalige Leiter der JVA, Ulrich Hötter: "Das gibt's nicht oft in Gefängnissen und ist dem Engagement der Bediensteten zu verdanken."

(RP)
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