Geldern Tangente: Bürger schimpfen auf Stadt

Geldern · Anwohner laufen Sturm gegen die Pläne für die "Stadtkern-Tangente". Und sie greifen die Stadtspitze scharf an: Bürgermeister Kaiser betreibe "Basta-Politik", die Verwaltung bemühe sich nicht um gute Informationspolitik.

 Die Strecke der Stadtkern-Tangente, die zur Bundesstraße 58 umgewidmet werden soll. Rechts geht es zum Krankenhaus.

Die Strecke der Stadtkern-Tangente, die zur Bundesstraße 58 umgewidmet werden soll. Rechts geht es zum Krankenhaus.

Foto: Gerhard Seybert

Die Fachleute haben den Anliegern der "Stadtkern-Tangente", die am Seehotel vorbei führt, erklärt , wie es mit der Umwidmung zur Bundesstraße und dem Lärmschutz jetzt voraussichtlich weitergeht. Eine Reihe Betroffene sind über die Planungen entsetzt. Und sie attackieren die Stadtverwaltung und Bürgermeister Sven Kaiser.

Geldern: Tangente: Bürger schimpfen auf Stadt
Foto: Photographer: Gisela Grabowski

Wenn sie Anfragen hätten, dann würden diese in der Verwaltung nur schleppend, lückenhaft oder gar nicht beantwortet, beklagen Nachbarn von Meisenweg und Königsberger Straße, Buchenweg und Königsbend, Kapellener Straße und Zur Boeckelt übereinstimmend. Und der Ton sei unter Bürgermeister Sven Kaiser deutlich schärfer und, so die Beschwerdeführer, "ignoranter" geworden, als er es ehedem bei seinem Amtsvorgänger Ulrich Janssen gewesen sei. "Basta-Politik" betreibe Kaiser, wirft Rainer Spenrath von der Kapellener Straße ihm vor: "Da fühlt man sich nicht mitgenommen, man fühlt sich über den Haufen gefahren."

Die Stadt gehe auf die Bürger gar nicht ein, meint Marlies Deutskens vom Buchenweg. "Wir haben immer nur irgendetwas präsentiert gekriegt." Monika und Armin Caliebe, die auch an der Kapellener Straße wohnen, fühlen sich alleingelassen, weil sie mit ihren Lärmschutz-Belangen nur noch an das Land verwiesen werden. "Eigentlich haben wir eineinhalb Jahre lang darauf gewartet, dass da was gemacht wird", sagen sie.

Nicht zuletzt misstrauen die Bürger dem Gutachten, das die Stadt zur Lärmbelastung hat erstellen lassen. Sie habe eine eigene Untersuchung beauftragt, sagt Marlies Deutskens, und sehe ganz anders aus: "Die Werte sind eindeutig höher."

Jürgen Tebest vom Königsbend schlägt in die gleiche Kerbe: "Das ist alles Augenwischerei und Verschwendung von Steuergeldern." Ist die Tangente erst einmal zur Bundesstraße umgewidmet, dann wäre nicht mehr die Stadt zuständig, sondern das Land. Und dieses könne ja dann einfach ein neues Gutachten erstellen lassen, "bei dem man mit Lärmschutzmaßnahmen noch günstiger wegkommt".

Nach den derzeit angestrebten Plänen soll auf der Tangente in Zukunft überall Tempo 60 gelten statt Tempo 50. Die Anlieger fürchten dadurch eine deutliche Verschlechterung ihrer Lage. "Flüsterasphalt ist schön und gut, aber bei den großen Lkw taugt das nicht viel", sagt Deutskens. Und Rainer Spenrath wirft der Stadt vor, den Bürgern umfangreicheren Lärmschutz geradezu "ausreden" zu wollen - mit Grusel-Szenarien über riesige Lärmschutzwände. "Man hat den Eindruck, dass das so unattraktiv gemacht werden soll, dass die Bürger es gar nicht mehr wollen."

Bürgermeister Sven Kaiser erklärte auf Anfrage, er habe Verständnis für Irritationen. "Das ganze Thema ist total kompliziert. Vielleicht hat die Präsentation mit dem Gutachter bei manchem mehr Fragen aufgeworfen als Antworten", sagte er. Er werde innerhalb der Verwaltung Rücksprache halten, um zu klären, ob es Probleme im Austausch mit den Bürgern gebe, sagte er zu. Absicht sei das jedenfalls nicht.

Das Misstrauen gegenüber dem Gutachten würde er gerne entkräften: Es sei vollkommen unabhängig erstellt worden, ohne jede Einflussnahme durch die Stadt. Aber dass bei so einem Verfahren "nicht jeder mit dem Ergebnis herauskommt, das er sich wünscht", das sei wohl zu erwarten.

Wobei: Es sei immer noch die mögliche Verlegung der Straße im Bereich der Buchenweg-Siedlung mitsamt Bau eines Lärmschutzwalls im Gespräch, erinnerte er. Diese Variante würde vielen Bürgern gefallen.

Den Vorwurf der "Basta-Politik" will Kaiser nicht auf sich sitzen lassen. "Mich wundert das", wehrte er sich. Wenn sich Bürger mit ihm und den beteiligten Experten zusammensetzen wollten, "dann bin ich der Letzte, der so einen Termin nicht zustande kommen lässt".

Allerdings sei das Thema nicht einmal in seinen Bürgersprechstunden auf den Tisch gekommen, sagte Kaiser. Die nächste Sprechstunde ist übrigens heute ab 16 Uhr im Rathaus.

(RP)
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