Bruno Jöbkes im Interview Tierschutzprämie noch nicht großes Los

Geldern · Der Thönes-Geschäftsführer und Grünen-Politiker über die Tierschutzinitiative des Handels.

 Jöbkes arbeitet bei der Bio-Schlachterei in Wachtendonk.

Jöbkes arbeitet bei der Bio-Schlachterei in Wachtendonk.

Foto: Kurzeder

Was denken Sie über die Pläne des Lebensmitteleinzelhandels, die Schweinemast artgerechter zu machen, indem sie einen Fonds gründet? Wenn Landwirte ihre Haltung artgerecht gestalten sollen sie daraus Prämien erhalten.

Bruno Jöbkes Grundsätzlich begrüße ich einen solchen Vorstoß. Ich bin nicht sicher, ob das das große Los ist. Ich bin skeptisch, wenn der Fonds abhängig vom Handel ist, und damit die Ausstattung des Fonds vom Marktgeschehen abhängt. Bekommen die Landwirte wirklich einen Mehrwert pro Schwein? Solche Fragen sind unklar.

Was halten Sie davon, dass ausgerechnet der Einzelhandel den Tierschutz unterstützen möchte?

Jöbkes Ich bin nicht sicher, ob die Bedingungen des Fonds tatsächlich ein Fortschritt für den Tierschutz sind. Stallluftmessungen oder den Anteil des Tageslichts zu überprüfen sind eigentlich Standards für Mastbetriebe. Aber natürlich ist der Handel eine Stellgröße. Denn es muss sich im Tagesgeschäft für die Landwirte lohnen, Vorkehrungen für den Tierschutz zu treffen. Deswegen muss man abwarten, wie der Handel die neuen Produkte behandelt.

Wird artgerecht produziertes Fleisch, dann weniger gekauft? Der Supermarkt-Preis soll um vier Cent steigen.

Jöbkes Das könnte passieren. Deswegen wäre es für die Landwirte sicherer, wenn sie den Mehrpreis pro Schwein direkt bei der Schlachtung erhalten würden. Es bleibt auch fraglich, ob die vier Cent sich auf das Kilogramm Schlachtgewicht beziehen oder auf das Kilogramm verkauftes Fleisch an der Ladentheke. Wird der Fonds nur über das verkaufte Fleisch gefüllt, und was ist zum Beispiel mit Fleisch für Wurst?

Sie sitzen an der Schnittstelle zwischen der Tierhaltung und dem Handel. Was spräche für Ihren Vorschlag?

Jöbkes Aus landwirtschaftlicher Sicht brauchen die Tierhalter Investitionssicherheit. Der finanzielle Anreiz muss groß genug sein, so dass sich die Investitionen auch lohnen. Ein Schwein hat etwa 100 Kilogramm Schlachtgewicht, wenn es zum Schlachthof kommt. Das macht vier Euro pro Schwein. Bei großen Betrieben rechnet sich das aufs Jahr. An der Fleischtheke geht der Effekt eventuell schon durch besondere Angebotspreise verloren. Aber ich finde prinzipiell jede Bewegung gut, die aus der Branche kommt und ohne gesetzliche Regelungen etabliert wird. Das kann eine gute Basis für mehr Tierschutz sein.

Was halten Sie als Grünen-Politiker eigentlich davon, dass Tierschutz durch finanzielle Anreize befördert werden soll, und die Landwirte nicht etwa aus ethischer Verantwortung ihre Haltung artgerecht gestalten?

Jöbkes Die Landwirte können wegen des Preisdrucks doch gar nicht anders. Andere Bedingungen in der Haltung werden vom Markt nicht honoriert. Ein Betrieb, der mit Mehraufwand für mehr Tierschutz produziert, ist nach wenigen Jahren pleite, wenn der Markt den Aufwand nicht durch höhere Auszahlungspreise honoriert. Gäbe es eine gesetzliche Vorgabe, würde die für alle gelten, und der Preis würde sich demgemäß entwickeln.

Ist ein Marktinstrument dann wirkungsvoller, weil es sich schneller umsetzen lässt, als ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren ?

Jöbkes Das denke ich, solange es ein sinnvolles Instrument ist. Das kann auch kurzfristig wirken. Wenn jedoch die eigentlichen Inhalte der Initiative keinen wirklichen Durchbruch beim Tierschutz bringen, sind rechtliche Regelungen dringend erforderlich.

DIE FRAGEN STELLTE FRANZISKA HEIN.

(RP)
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