Straelen Tschernobyl-Kindern das Leben verlängern

Straelen · Eine Gruppe aus der radioaktiv belasteten Region in Weißrussland war 14 Tage lang in Straelen zu Gast. Erlebnisreiches Programm mit vielen Veranstaltungen organisiert. Unterkunft in Familien.

 Initiator Winfried Claßen mit einigen der Kinder aus Weißrussland beim Abschlussfest der diesjährigen Aktion.

Initiator Winfried Claßen mit einigen der Kinder aus Weißrussland beim Abschlussfest der diesjährigen Aktion.

Foto: Seybert

Fast 30 Jahre ist der Super-Gau im Atomkraftwerk Tschernobyl her, die radioaktive Wolke, die sich über große Teile Europas ausbreitete, ist in Deutschland fast vergessen. Nicht so in der weißrussischen Stadt Gomel, der zweitgrößten Stadt Weißrusslands. Zwar geht die Strahlenbelastung zurück, erhöht aber immer noch die Krebsrate bei Kindern und Erwachsenen deutlich. Kindern aus dieser Region hat sich Winfried Claßen angenommen. Vor rund 20 Jahren las er erstmalig in der Rheinischen Post, dass Gastfamilien für von Tschernobyl betroffene Kinder gesucht wurden - seitdem hat ihn das Thema nicht mehr losgelassen. Für seine unermüdliche Arbeit erhielt der Straelener 2013 das Bundesverdienstkreuz.

1999 kamen die ersten Kinder nach Straelen, seit fünf Jahren bietet Claßen Mutter-Kind-Touren an. Für fünf Kinder und Mütter geht der Traum von "Winnis Wunderland", so sprechen die Kinder später in Weißrussland darüber, in Erfüllung. Gemeinsam mit einer Dolmetscherin kommen Mutter und Kind in Familien in der Blumenstadt unter. Claßen ist auf Spenden und Sponsoren angewiesen. Einerseits für die laufenden Kosten von rund 8000 Euro für unter anderem Bus- und Bahnfahrten, andererseits auch, um den Kindern, die meistens aus sozial schwachen Familien stammen, ein schönes Programm zu bieten. Schließlich soll der Aufenthalt für die Kinder, Mütter und Dolmetscher nichts kosten.

Viele Programmpunkte stehen schon seit längerer Zeit im Programm, etwa ein Hubschrauberrundflug in Essen-Mülheim oder der Aufenthalt im Toverland in Venlo. Neu dabei waren in diesem Jahr unter anderem ein Tag bei der Feuerwehr und die Kart-Bahn in Weeze. "Der Unterstützerhorizont ist ohne Ende", sagt Claßen beim Abschlussfest. Manchmal fühlt er sich "wie ein Kapitän auf einem Schiff". Als Organisator des 14-tägigen Aufenthalts muss er früh anfangen zu planen. Von Januar bis September ist er mit Vor- und Nachbereitung beschäftigt. Mehr als 5000 Fotos sichtet er jedes Jahr, jeder Teilnehmer erhält eine digitale Kopie und ein Fotoalbum mit 100 Fotos. Gerade diese Fotoalben sind den Kindern sehr wichtig: "Sie zeigen die Bilder bei jedem Krankenhausbesuch vor", erklärt Claßen.

Ein Höhepunkt für alle Kinder war der Besuch bei MacDonalds: "In ganz Weißrussland gibt es nur ein MacDonalds", erzählt Claßen, "und das ist in Minsk. Für die Eltern der Kinder ist es zu teuer, dort hin zu fahren, es sind mehr als 300 Kilometer." Wenn die Kinder dann in Deutschland zum ersten Mal bei MacDonalds sind, können sie ihr Glück kaum fassen. Manchmal, wenn Zeit und Auslastung es zulassen, können die Kinder auch in den Produktionsprozess hineinschauen und ihre Burger selbst machen. Auch Motorradfahrten erfreuen sich großer Beliebtheit bei den Kindern. Die Fahrten seien immer ein Highlight, auch wenn "schön gemütlich" gefahren wird. Dieses Jahr war auch der Besuch im Walbecker Freibad ein Knaller, bei mehr als 30 Grad war das kühle Nass genau das Richtige - und der Eintritt war umsonst.

Die Nachwirkungen dieser Deutschlandaufenthalte sind lange spürbar. Ärzte aus der Region um Gomel berichten, dass die 14 Tage in Deutschland das Immunsystem der Kinder verbessern. Studien belegen, dass ein solcher Aufenthalt die Lebenserwartung der Kinder um mindestens ein Jahr verlängern kann.

(eo)
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