Geldern Viele Waffen im Umlauf machen Sorgen

Geldern · Mehr als doppelt so viele Männer und Frauen wie ein Jahr zuvor haben im Jahr 2016 eine Genehmigung zum Führen einer Schreckschusspistole beantragt. Die Polizei hat Bedenken und warnt vor möglichen Folgen.

 Der Klever Kaufmann Kotters trägt in ein Buch ein, wer mit einem kleinen Waffenschein bei ihm einkauft.

Der Klever Kaufmann Kotters trägt in ein Buch ein, wer mit einem kleinen Waffenschein bei ihm einkauft.

Foto: Gottfried Evers

Mehr als verdoppelt hat sich im vergangenen Jahr die Anzahl der Menschen im Kreis Kleve, die einen sogenannten "Kleinen Waffenschein" beantragt und meist auch bekommen haben. Im Jahr 2015 waren es 1039 Anträge, 2016 bereits 2205. Diese Entwicklung bereitet der Polizei Sorgen, zumal die Beamten kaum einmal persönlichen Kontakt zum Antragsteller haben. Es wird ein Online-Formular ausgedruckt, ausgefüllt, unterschrieben und zur Polizei geschickt. Wenn bei den Behörden nichts Negatives über den Interessenten bekannt ist, wird der Schein ausgestellt. Und der Mann oder die Frau dürfen eine Schreckschuss- oder Signalwaffe mit sich führen.

Harald Brands ist bei der Kreispolizei der Fachmann für Waffenangelegenheiten. Er findet es bedenklich, dass immer mehr Menschen glauben, sich mit einer Waffe in der Tasche schützen zu können. Die massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht vor einem Jahr dürften einer der Gründe für die zunehmende Verunsicherung sein. Ob es generell Ängste in der Dunkelheit oder wegen besonderer Örtlichkeiten gibt - das wisse er nicht, sagt Brands. Und eine politische Einschätzung möchte die Polizei auch lieber nicht vornehmen.

Dass die Beamten die Entscheidung von Bürgern, sich zu bewaffnen, problematisch finden, gibt Pressesprecher Michael Ermers aber gerne zu. Denn manchmal eskaliere eine Situation erst, wenn eine Waffe ins Spiel komme. Selbst, wenn es eine vergleichsweise harmlose sei, die jeder zuhause oder - mit dem Kleinen Waffenschein - unterwegs in der Tasche haben darf. "Wenn es eine Auseinandersetzung gibt, in deren Verlauf jemand eine Waffe zieht, kann sich daraus schnell eine ganz gefährliche Sache entwickeln." Im Kreis Kleve werden, wie es das Gesetz verlangt, Bundeszentralregister und zentrales staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister befragt, auch die Bezirksbeamten werden angehört. "Wohnungsbesuche machen sie aber nicht", sagt Brands. Wenn es dem Anschein nach nichts zu beanstanden gibt, wird der Schein gegen eine Gebühr von 55 Euro ausgestellt. Leider, finden die Polizisten.

Gas- und Schreckschusspistolen können Menschen durchaus ernsthaft verletzen. Zumal die Besitzer des Kleinen Waffenscheins meist keine Ahnung von ihrer Handhabung haben. "Genauso wenig ist vielen Leuten klar, was eigentlich eine Notwehrsituation ist. Wenn Sie nach einem Einbruch einen Fremden durch Ihren Garten laufen sehen, ist das natürlich kein Fall für Selbstverteidigung", erklärt Brands.

Was sagen zu dem Thema Frauen, die andere Frauen in Sachen Prävention und Umgang mit potenziellen Tätern beraten? Etwa die Sozialpädagoginnen von "Impuls" in Goch? Regelmäßig haben sie mit Gewaltopfern zu tun, gegenüber jeder Form von Abwehrwaffen sind sie dennoch skeptisch. Maria Peeters: "Eine Schreckschusswaffe oder auch ein Spray vermitteln eine falsche Sicherheit. Die Waffe kann auch gegen die Trägerin gewendet werden. Wir empfehlen eher Selbstverteidigungskurse; dort wird Nein-Sagen und auch Schreien geübt. Wichtiger Tipp: ,Sieh' lieber zu, dass Du Land gewinnst, bevor Du Dich mit einem körperlich Überlegenen anlegst.'" Die "Impuls-Frauen" raten dazu, abends möglichst nicht alleine unterwegs zu sein. Der Weg von der Party heim sei in der Gruppe weniger gefährlich.

Was sagen Leute, die mit Waffen ihr Geld verdienen? Michael Kotters aus Kleve etwa verkauft auf Wunsch natürlich Alarmpistolen an mindestens 18-Jährige, führt aber genau Buch darüber, wer sie erwirbt. Er lässt sich den Ausweis zeigen, notiert Namen und Adressen, verweist auf die Bestimmungen und protokolliert dies, wie es das Gesetz verlange. Älteren Damen, die sich bewaffnen wollen, habe er davon auch schon abgeraten; "sonst kriegen die von dem Knall noch einen Herzinfarkt". Wer alkoholisiert oder merklich unter Drogen in den Laden kommt und nach Waffen fragt, wird weggeschickt. "Alles andere wäre verantwortungslos."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort