Stadtwerke Geldern Präsentieren Verschwundene Orte (7) Vom Stein des Anstoßes zum Kultobjekt

Geldern · Das Modehaus Schmitz am Markt gehörte zu den begehrtesten Textilhäusern in Geldern. Nach dem Krieg wurde mit dem Gebäude ein Zeichen des Wiederaufbaus gesetzt. Kurz darauf sorgte die Fassade für Entsetzen im Stadtrat.

 An prominenter Stelle am Markt/ Ecke Hartstraße war das Modehaus Schmitz. Rechts zeigt die Ansicht aus dem Jahr 1948, bevor es die auffällige schwarz-weiße Fassade bekam. Fotos: Heinz Bosch/ A.

An prominenter Stelle am Markt/ Ecke Hartstraße war das Modehaus Schmitz. Rechts zeigt die Ansicht aus dem Jahr 1948, bevor es die auffällige schwarz-weiße Fassade bekam. Fotos: Heinz Bosch/ A.

Foto: Kersten

Geldern Wer einen Kommunionanzug brauchte, eine schicke Krawatte oder ein gehobeneres Kleidungsstück eines Modelabels, der ging zum Modehaus Schmitz am Markt. Die Adresse lautete Hartstraße 1, und so stand es genau an der Schnittstelle der verschiedenen Gelderner Einkaufsstraßen.

"Schmitz brauchte nicht zu kämpfen, das Geschäft lief gut", sagt Gelderns Stadthistoriker Heinz Bosch in der Rückschau. Der Laden wurde hochgejubelt. Am 10. November 1948 beschrieb es die Rheinische Post so: "Die repräsentative und abwechslungsreiche Schaufensterfront ist eine Sehenswürdigkeit für die im Wiederaufbau befindliche Kreisstadt." Das Kaufhaus wurde zu einer Art Hoffnungsträger. Denn das Modehaus war eines der ersten Gebäude, die nach dem Krieg ins Auge stachen. Das Gebot lautete für die Hartstraße nach dem Krieg: dreigeschossig zu bauen. Allerdings wurde zunächst dem Wohnungsbau der Vorzug gegeben. Dennoch schaffte es das Modehaus, sich aus den Trümmern zu erheben. Denn tatsächlich abgeschlossen war der Ausbau der Hartstraße erst 1951. Die wurde damals übrigens liebevoll die "Kö von Geldern" genannt. Nachzulesen ist das in der "Illustrierten Geschichte der Stadt Geldern" von Heinz Bosch.

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Foto: Kersten A.

Zur Eröffnung des Modehauses am 10. November 1948 standen die Gelderner Bürger Schlange. Der Traum eines jeden Einzelhändlers. Und diese Begeisterung stellte selbst die Eröffnung von H&M im Winter 2016 in den Schatten. Denn im November 1948 warteten die ersten kauffreudigen Kunden bereits um 4.30 Uhr vor den Türen des Modehauses Schmitz. Endlich gab es wieder etwas zu kaufen und auch zu bestaunen.

Ursprünglich hatte Schmitz seinen Sitz am Markt 8. Heute teilen sich das Modehaus Kaenders und C&A diese Adresse. Übernommen oder besser gesagt, gepachtet, hatte die Firma Schmitz aus Viersen das Geschäft von Albert David. Die antijüdischen Anfeindungen ab 1933 machten es aber David unmöglich, sein Geschäft in Geldern weiterzuführen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Diskussion um eine möglichst ansehnliche Marktbebauung immer wieder angeheizt. "Die Fachleute waren sich einig, dass Geldern ,eines Tages neu und schön erstehen muss'", beschreibt es Heinz Bosch im zweiten Band seiner "Illustrierten Geschichte der Stadt Geldern". "Monumentaler Eckpfeiler der Straße" titelte eine Zeitung das Kaufhaus Schmitz. Die Begeisterung wandelte sich allerdings schnell in Entsetzen, als der Planer Josef Ehren seine moderne Idee zur Fassadenerneuerung am Modehaus Schmitz umsetzte.

Die schachbrettartige Verkleidung Ende der 1950er Jahre werteten einige als absolutes Desaster. "Der Stadtrat fühlte sich bei der Neugestaltung des Kaufhauses Schmitz 1957 brüskiert", zitiert Bosch in seinem Buch einen Zeitungsartikel der RP vom 18. Juni 1957. "Fragen nach dem Versagen der Bauaufsicht blieben vergebens", schreibt Bosch weiter.

Aus heutiger Sicht hat Ehren mit der Fassade einen Blickfang gesetzt, ein Erkennungszeichen. Das Modehaus Schmitz setzte nicht nur äußerlich, sondern auch vom Angebot Akzente. "Das waren schon die etwas besser gestellten Leute, die da einkaufen gingen", sagt Bosch. Auf zwei Etagen gab es die geballte Auswahl an Damen- und Herrenbekleidung.

1961 zählte Schmitz 35 Angestellte und war damit kein unwichtiger Arbeitgeber. Als weitere Textilgeschäfte innerhalb der Gelderner Innenstadt, die ebenfalls verschwunden sind, nennt Bosch noch Bodewig auf der Issumer Straße und das Textilgeschäft von Peter van de Locht an der Ecke Markt/Issumer Straße (heute: Apollo Optik).

Für das Modehaus Schmitz kam das Ende 1999. Am 29. Januar 1999 wurde die Geschäftstätigkeit offiziell eingestellt. Und im Zuge der Umbauarbeiten verschwand auch die auffällige Fassade.

(RP)
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