Gelderland Wenn Tierliebe zu Tier-Leiden wird

Gelderland · Hunde im Zwinger, einsame Kaninchen im Käfig, kranke Pferde: Immer wieder werden Tiere an Halter zurückgegeben, die sie schlecht behandelt haben, kritisieren Tierschützer. Das Veterinäramt erklärt die rechtlichen Vorgaben.

 Kristina Scholz, Leiterin des Gelderner Tierheims, hat einen liebevollen Blick auf ihre Schützlinge und weiß, dass nicht alle in ein gutes Zuhause zurückdürfen. Diese kleine Hündin ist übrigens nicht betroffen: Das ist Joy. Sie ist ein "Fundhund" aus Straelen und hatte es in der Vergangenheit wohl nicht schlecht, bevor sie verloren

Kristina Scholz, Leiterin des Gelderner Tierheims, hat einen liebevollen Blick auf ihre Schützlinge und weiß, dass nicht alle in ein gutes Zuhause zurückdürfen. Diese kleine Hündin ist übrigens nicht betroffen: Das ist Joy. Sie ist ein "Fundhund" aus Straelen und hatte es in der Vergangenheit wohl nicht schlecht, bevor sie verloren

Foto: Seybert

Zuletzt hat in den sozialen Medien ein Fall aus Straelen für Aufregung gesorgt. Aktivisten des Tierschutzvereins Kerken hatten auf einen anonymen Hinweis hin auf eigene Faust einen Hund aus dem Zwinger eines landwirtschaftlichen Unternehmens geholt. "Es war ein ganz verwahrloster, kranker Hund", beschreibt Michaela Dickhoff vom Verein den Fall. "Der hatte kein Fell mehr, nur noch Filz." Alt, hinkend, krank sei er gewesen, zitternd und schwach: "Da kriegt man erstmal einen Knoten im Hals."

Sie habe das Veterinäramt verständigt, den Hund am Montag ins Tierheim Geldern gebracht. Doch am Dienstag sei er schon wieder zurückgewesen bei seinen Haltern: "Das Tierheim musste diesen armen Hund wieder rausgeben."

Immer wieder komme es vor, dass Haustiere in schlimme Umstände zurückmüssten, beklagt die Tierschützerin. Das Gesetz genüge da einfach nicht.

Kristina Scholz vom Gelderner Tierheim gibt ihr teilweise Recht. Meist sind es Fundtiere, bei denen auffällt, dass sie aus üblen Verhältnissen weggelaufen sind. Oder, das Veterinäramt gibt Tiere im Gelderner Heim ab, die aus schlechter Haltung befreit wurden. "Das kommt immer mal wieder vor", sagt Scholz.

Ihrer Erfahrung nach ist es aber in aller Regel nicht so, dass die Halter böswillig oder gleichgültig wären. "Oft sind Leute einfach überfordert", sagt Scholz. "Durch psychische Erkrankungen, körperliche Krankheiten, oder es sind einfach alte Leute, die nicht mehr richtig sehen und sich nicht eingestehen, dass sie sich nicht mehr um das Tier kümmern können." Gerade Letzteres erlebe sie sogar auffällig häufig.

Kommt sie mit den Haltern vernachlässigter Tiere in Kontakt, sucht Kristina Scholz das Gespräch und hat oft Erfolg: "Die meisten Leute sehen ein, dass das ein Problem ist", sagt sie. Mitunter geben sie ihre Hausgenossen mit ein wenig Überzeugungsarbeit freiwillig ab.

Aber Scholz meint auch: Das Tierschutzgesetz reiche wirklich nicht aus, und tatsächlich würden Tiere in problematische Bedingungen zurückgegeben. Das liege nicht an den Behörden: "Man muss das Tierschutzgesetz anprangern, nicht die, die es ausführen", betont Scholz. "Es ist hier noch nie ein Fall gewesen, in dem das Veterinäramt nicht gehandelt hätte." Aber das Amt sei nun mal dem Gesetz unterworfen. Und darin "ist alles recht schwammig formuliert, was Haltung, Pflege und Berücksichtigung der Bedürfnisse der Tiere angeht". Es fehle an klaren, strengen Vorgaben.

Beim Veterinäramt des Kreises Kleve gehen jährlich etwa 300 Hinweise aus der Bevölkerung auf schlechte Tierhaltung ein, erklärt Sylvia Heesen. Sie ist selbst Tierärztin und Leiterin des Fachbereichs "Gesundheit" beim Kreis Kleve, zu dem das Veterinäramt gehört.

"Wir gehen jedem Hinweis nach", versichert Sylvia Heesen. Als erstes mit einem unangemeldeten Besuch zur Prüfung der Sachlage. Über den Daumen gepeilt gebe es in rund der Hälfte der gemeldeten Fälle tatsächlich einen Gesetzesverstoß. Das bedeutet in der Tat nicht, dass die Tiere in der anderen Hälfte der Fälle ein großartiges Leben hätten. "Das, was wir gut finden, und das, was der Gesetzgeber fordert, klafft oft auseinander", macht Heesen deutlich.

Sind die Bedingungen wirklich unzulässig, gilt für die Behörde der "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit", erläutert Heesen weiter: Sie ist "verpflichtet, zunächst das mildeste Mittel anzuwenden, das geeignet ist, einen festgestellten Verstoß abzustellen". Die Eigentümer des Zwinger-Hundes von Straelen zum Beispiel mussten für ärztliche Behandlung sorgen.

Aber weggenommen wird ein Tier erst, wenn Menschen solche Anordnungen ignorieren. Echte Tierhalteverbote gebe es sehr selten und erst bei grobem Fehlverhalten: "Das ist das allerletzte Mittel", so Heesen. Und auch das ist nicht für die Ewigkeit: Wenn Halter nach einiger Zeit zeigen können, dass sich die Umstände bei ihnen geändert haben, können sie wieder Tiere anschaffen.

(RP)
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