Straelen Wohnzimmer-Weltreise zeigt Kunst auf Polnisch

Straelen · In der VHS-Reihe öffnete Aneta Mrzyglod ihr Zuhause. Es wurde über Stereotypen diskutiert. Höhepunkt war der Blick ins Atelier.

 Bei der Wohnzimmer-Weltreise zeigte Aneta Mrzyglod auch einige Kunstwerke.

Bei der Wohnzimmer-Weltreise zeigte Aneta Mrzyglod auch einige Kunstwerke.

Foto: Seybert

Manchmal reicht ein Schritt über die Türschwelle, um in ein anderes Land zu gelangen. Das ist das Konzept von "Weltreise durch Wohnzimmer". In der VHS-Reihe stellen Menschen ihre Heimat vor und laden zu sich ein.

"Hallo ich bin Anna", sagt die sympathische 37-Jährige und öffnet weit ihre Tür. Auf dem Sofa heißt es zusammenrücken. Mancher Besucher hat schon einmal eine solche Weltreise im Kleinformat mitgemacht, und es gibt solche, die noch nie dabei waren. Das Eis ist schnell gebrochen, es werden jede Menge Fragen an die polnische Gastgeberin gestellt, zum Beispiel nach einem typischen Landesgericht. Die schüttelt den Kopf. Nein, sie koche eigentlich überhaupt nicht. Aber dafür hat ihre Mama gekocht. Es gibt Bigos, einen Eintopf mit Sauerkraut, Fleisch und Pilzen. "Die hat meine Mama selbst gesucht", sagt Gastgeberin Anna, die eigentlich Aneta Mrzyglod heißt. Das richtige Aussprechen des Nachnamens sorgt bei den Besuchern schnell für einen Knoten in der Zunge.

Aufgewachsen ist die Gastgeberin in Wadowice, der Ort aus dem auch Johannes Paul II. stammte. "Ja, viele Polen sind sehr katholisch", sagt Anna Mrzyglod. Aber sie empfinde das oft als eher oberflächlich. "Die Religion ist das eine, das andere ist das Leben", sagt sie. Außerdem mag sie es nicht, wenn in der Kirche Referate über Politik gehalten werden. "Besonders in kleinen Städten in Polen" sei das so. Ab und zu besuche sie die polnische Kirche in Neukirchen-Vluyn oder in Horst in Holland. Ein bisschen fehlt ihr die Heimat doch. Statt Wadowice heißt ihr Wohnort nun Straelen. Und sie erzählt von der Hochzeit ihres Bruders und den Unterschieden zu einer deutschen Hochzeit. "Eine polnische Hochzeit dauert eine Woche", sagt sie. "Alle feiern, tanzen, essen, lachen", eine Woche lang. Und noch etwas ist anders als in Polen, was die Mentalität betrifft. "Kann man nicht ohne Termin zu jemandem gehen?" fragt sie in die Runde. Das könne sie nicht verstehen. "Warum kann ich nicht einfach Freunde besuchen?" Aber natürlich wisse sie jetzt, dass das in Deutschland nun einmal so sei und mache höflich einen Termin.

Sie zeigt Fotos vom polnischen Winter mit zwei Meter hohem Schnee und ganz viel von dem, was sie macht. Sie ist Künstlerin. In ihrem Straelener Atelier steht ein zwei Meter großer Neptun, an dem sie zuletzt gearbeitet hat. Den krassen Gegensatz bilden die Miniaturfiguren, die auf ihrem Arbeitstisch liegen. Eine davon ist Günter Netzer, nicht größer als ein kleiner Finger, ein sehr kleiner kleiner Finger. "Unglaublich", haucht ein Besucher. "Das ist so was von filigran", so eine andere Besucherin.

In ihrer Heimat Polen hat Anna Mrzyglod als Lehrerin gearbeitet. Acht Stunden pro Tag, Fünf-Tage-Woche, 250 Euro monatlich gab es dafür. Dabei seien die Lebenshaltungskosten wie in Deutschland, sagt die Gastgeberin. Und weil sich in Polen kaum einer allein eine Wohnung leisten kann, wohnen eben alle zusammen, mehrere Generationen. Ob es so etwas wie Altersvorsorge gebe, möchte einer der Besucher wissen. Anna Mrzyglod schüttelt den Kopf und nennt als Beispiel ihre Tante. "Sie hat ihr ganzes Leben gearbeitet, aber am Ende ihres Lebens kein Geld für Medikamente. Das bewundere ich in Deutschland, die besten Autos haben die älteren Leute", sagt Anna Mrzyglod. Das gilt sicher nicht für alle. Sie hat nichts gegen Stereotypen, weiß sie doch, dass sie nicht immer stimmen. "Ich trinke zum Beispiel keinen Wodka", sagt die Gastgerberin und lacht. Dennoch haben ihre Worte nachdenklich gemacht. "Da sollten wir Deutschen wohl genauer hingucken, wie gut es uns geht", sagt eine Besucherin zu ihrer Nachbarin. "Kulturen rüberbringen, nicht nur durch Kennenlernen, sondern auch erleben", nennt Karl-Heinz Pasing den Sinn und Zweck der Weltreise durch Wohnzimmer, die Andrea Clanzett organisiert hat. Und ein bisschen öffnet die Reise auch den Blick wieder für das eigene Land. Das nächste Mal, das wird im November sein, geht es übrigens nach Taiwan.

(RP)
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