Was macht eigentlich? Zu Besuch bei der "Liebfrauenschul-WG"

Geldern · Schwester M. Gertrudis Koch war 48 Jahre in Geldern, bis 1992 Schulleiterin des Berufskollegs der Liebfrauenschule in Geldern, Schwester M. Irmengarde Busch Leiterin der Realschule nebenan. Seit 2013 wohnen sie in Grefrath-Mülhausen.

 Rückblick: Schwester Gertrudis inmitten einer Schülerschar am Berufskolleg der Liebfrauenschule.

Rückblick: Schwester Gertrudis inmitten einer Schülerschar am Berufskolleg der Liebfrauenschule.

Foto: privat

Es ist kurz vor 11 Uhr. Die beiden Damen machen sich mit ihren Rollatoren gut gelaunt auf den Weg zur Kapelle. Einträchtig stehen sie im Fahrstuhl nebeneinander, der sie ins Erdgeschoss und damit in die richtige Etage zur Kapelle fährt. Beide haben fast 40 Jahre nebeneinander gearbeitet, die eine, Schwester M. Irmengarde Busch, als Schulleiterin der Liebfrauen-Realschule in Geldern, die andere, Schwester M. Gertrudis Koch, als Schulleiterin des Liebfrauen-Berufskollegs.

Seit dem 14. September 2013 wohnen sie im Haus Salus in Grefrath-Mülhausen, einem Seniorenheim für Ordensschwestern. An den Tag der Entscheidung kann sich Schwester Irmgengarde noch gut erinnern und lacht. "Für mich stand das fest, und als du sagtest, ich gehe auch nach Salus, dachte ich, ich fall' um, ich hatte ja keine Ahnung", sagt Schwester Irmengarde und stupst ihre Mitschwester freundschaftlich an. "Ich hab' mich entschieden, ruck-zuck", sagt Schwester Gertrudis und lächelt verschmitzt. Normalerweise ist Schwester Irmengarde die spontanere von beiden.

 Rückblick 2: Schwester Irmengarde mit ihren beiden Patenkindern.

Rückblick 2: Schwester Irmengarde mit ihren beiden Patenkindern.

Foto: privat

Nicht nur das Temperament unterscheidet beide. Während Schwester Gertrudis ihre Ordenstracht trägt, sitzt Schwester Irmengarde neben ihr in zivil. "Bis 1995 war ich Schulleiterin und habe einen Schleier getragen. Aber irgendwann durfte man sich vom Orden aus verändern, und dann habe ich mich verändert. Das wird so 1998 gewesen sein." Seitdem trägt sie zivil. "Weil es viel praktischer ist. Ich habe keinen Schleier-Kopf", sagt sie lachend. Aber im Herzen ist sie Schwester durch und durch, und der Tagesablauf ist geprägt vom geistlichen Leben. Um 7.30 Uhr ist das Morgengebet, die Laudes, um 11 Uhr eine Eucharistiefeier in der hauseigenen Kapelle. Gemeindemitglieder kommen zum Haus Salus, um gemeinsam mit den Schwestern Messe zu feiern. "Anschließend ist Mittagessen und Siesta", sagt Schwester Irmengarde. Zeit haben für Kontakte, das ist der Segen des Ruhestands. Vieles ist anders als das Leben als Schulleiterinnen in Geldern.

56 Menschen wohnen im Haus Salus. Die gegenseitige Hilfe in kleinen Dingen ist in der großen Wohngemeinschaft teils Bereicherung, teils auch schwer, wenn die Schwestern von Demenzerkrankten berichten, die nicht mehr wissen, was sie gerade gefragt oder geantwortet haben. "Kontakte zu Angehörigen können viel mehr gepflegt werden als zu Schulzeiten", sagt Schwester Gertrudis und erzählt von ihren Urgroßnichten. "Das ist das zweite Leben, was ich mir gewünscht habe." Eine Tasche voller Bücher wartet auf sie. "Ich habe gerade Kaplan Olding gelesen", sagt sie. Schwester Irmengarde neben ihr nickt. "Klartext", zitiert sie den Titel und zieht ein Heft hervor, in dem sie ihre Rezensionen niederschreibt. Gelernt hat sie das in der Oberprima. Das neueste Heft hat sie im Mai 2016 angefangen, seitdem hat sie 38 Bücher gelesen und beschrieben.

38 Jahre war sie in Geldern. "Der Bischof wollte eine Ordensfrau als Schulleiterin in Geldern", beschreibt sie ihre Versetzung von der Liebfrauenschule in Mülhausen in die Herzogstadt. Mit den ehemaligen Lehrerkollegen hat sie immer noch viel Kontakt. "Das Schöne ist, die sind mittlerweile auch im Ruhestand, und wir treffen uns zwei Mal im Jahr, im Januar schon wieder", sagt die 86-Jährige. Nach ihrer Pensionierung hatte sie noch eine Ausbildung zur Krankenhausseelsorgerin gemacht, im Haus Golten gearbeitet. Gewohnt haben sie und Schwester Gertrudis bis zum Schluss auf dem Gelände der Liebfrauenschule. "So sind wir bis zum Schluss der Jugend begegnet", sagen die beiden Schwestern.

Schwester Gertrudis hatte nach der Pensionierung die Leitung des Internats und war zusätzlich bis 2013 Leiterin der Kommunität mit zuletzt sechs Schwestern in Geldern. "Es ist ja bekannt, dass Ordensleute keinen Ruhestand haben", sagt Schwester Gertrudis lächelnd. Es gibt Begegnungen, die haben sie tief geprägt. Schwester Gertrudis erzählt von einem Krankenhausaufenthalt. Der junge Pfleger war mal Schüler an ihrer Schule. "Wenn ich Sie und die Lehrerin Frau Klompen nicht gehabt hätte, wäre aus mir nichts geworden", sagte der. "Der Arzt stand dabei und guckte nur", erinnert sich die Schwester an den Moment, der sich tief in ihr Herz gebrannt hat.

Mitgenommen hat Schwester Irmengarde die Musik nach Mülhausen. "Ich habe hier auch ein Keyboard stehen, und Flöte wird immer noch musiziert, wenn auch sparsamer", sagt die 86-Jährige. Und dann gibt es noch diese schöne Geschichte aus der Eucharistiefeier. "Unser Pfarrer sagte uns, er sei so beglückt, wenn 40 Schwestern wie Jugendliche singen", erzählt Schwester Gertrudis. "Das stimmt, wir singen gut", sagt ihre Mitschwester.

Noch einmal zurück zum neuen Tagesablauf. Nach dem Mittagessen ist Zeit für eine Tasse Kaffee. "Dann sehen wir uns", sagt Schwester Irmengarde und zwinkert ihrer Mitschwester fröhlich zu. Noch eine dritte Schwester aus Geldern ist da, Schwester Aureliana. Sie war 52 Jahre Küchenschwester, bis 2004 in der Internatsküche. Da ist ein großes Stück Geldern nach Mülhausen gegangen und wohnt nun unter einem Dach.

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