Jürgen Becker "Beuys war auch ein Scharlatan, glaube ich"

Goch · Morgen tritt der Kabarettist im Gocher Kastell auf. Im Interview spricht er über große Kunst und Grenzen des Humors.

Sie machen mit Ihrem Programm "Der Künstler ist anwesend" seit vier Jahren Kabarett über die Welt der Kunst. Wie konnte das so erfolgreich werden?

Jürgen Becker Ich habe tatsächlich ein Thema ausgesucht, das den Leuten nicht unbedingt auf den Nägeln brennt. Aber dass ich Menschen für ein Thema begeistern kann, um das sie sich vorher keine Gedanken gemacht haben, halte ich für eine reizvolle Herausforderung.

Oder liegt das Erfolgsgeheimnis im kölschen Humor?

Becker Vielleicht. Der kölsche Humor funktioniert überall wo man Deutsch spricht. Basel genauso wie Belgien, bis Brüssel kann man spielen. Ich spreche aber auch ein Deutsch, mit dem man Bundeskanzler werden kann, wie Konrad Adenauer gezeigt hat. Da habe ich aber keine Ambitionen, Angela Merkel ist da eh unschlagbar.

Sind Kölner denn lustiger, als der Durchschnitts-Deutsche?

Becker Man sagt immer, dass die Deutschen so humorlos seien, das stimmt aber überhaupt nicht. Es wimmelt hier nur so von Kleinkunstbühnen. Das gibt es in kaum einem anderen Land in Europa. Selbst England, das mit Gruppen wie Monty Python und Mr. Bean große Humorqualität vorweist, hat auf dem Land nicht so eine Spieldichte wie wir. In jedem kleinen Ort gibt es eine Bühne, Aula oder Turnhalle, in der gespielt wird.

Wie viel Klamauk ist nötig, um das Publikum mit bildender Kunst auf der Bühne unterhalten zu können?

Becker Normalerweise bietet die Kleinkunst optisch nicht viel Spielraum. Da steht ein Kabarettist auf der Bühne, ansonsten ist alles schwarz. Ich habe 120 Bilder mitgebracht, die ich an die Wand projizieren lasse. Da haben die Leute permanent etwas zu gucken. Natürlich gibt's auch nackte Menschen zu sehen. Nicht nur Frauen: Es gibt auch Bilder von schönen Männern.

Sind Sie selbst begeisterter Museumsgänger?

Becker Nein, eigentlich gar nicht. Im Museum herrscht häufig eine ähnliche Atmosphäre wie in der Kirche. Alles ist andächtig und still. Geht ja keiner ins Museum, applaudiert und sagt: Boar, super, geile Schinken hier. Das ist das Pompöse, das Kunst und Religion gemein haben und ich finde, die Kleinkunst hat die Aufgabe, dem Pompösen die Luft rauszulassen.

Trotzdem haben sie Spaß an Kunst...

Becker Ja, natürlich! Auch Museen kann man das Andächtige nehmen. Durch gute Führer zum Beispiel, die das Ganze frei von der Leber weg machen. Das habe ich schon selbst erlebt - und genauso mache ich es ja auch. Kunst ist etwas ganz Tolles. Ich habe das Programm so konstruiert, dass Putzfrau und Professor gleichermaßen Spaß dran haben.

Wieso gelingt das nicht öfter?

Becker Das liegt auch daran, dass die Kunst mit einer gewissen Arroganz daherkommt. Wenn man auf eine Vernissage geht, sind da immer diese schwarz gekleideten Menschen, die einem weiß machen wollen, wir verstünden nichts davon. Und das ist eine Unverschämtheit, eigentlich. Die Kunst ist für alle Menschen da und wir verstehen auch alle etwas davon.

Jeder ist ein Künstler? Beuys hätte seine wahre Freude daran gehabt.

Becker Es gibt diese wunderbare Geschichte, wie in Leverkusen eine Ausstellung von Beuys organisiert worden ist und im gleichen Gebäude hat der SPD-Ortsverein getagt. Die berühmte Badewanne passte nicht mehr und man hat sie in die Abstellkammer gestellt. Dann hat der Ortsverein die Badewanne gefunden und darin das Bier gekühlt. Unter der Badewanne stand die Aufschrift: In dieser Badewanne wurde Joseph Beuys als Kind gebadet. Und dann hat einer der Genossen drauf geschrieben: Offenbar zu heiß. Das hat riesen Ärger gegeben - ich glaube davon hat sich die SPD bis heute nicht erholt.

Beuys liefert also genug Stoff für Ihr Programm?

Becker Beuys war auch ein Scharlatan, glaube ich. Er hat seine Ideen zumindest sehr gut verkauft. Jeder Mensch ist ein Künstler, das gefällt mir. Vielleicht ist nicht jeder Bildhauer oder Maler. Aber genau darum geht es heute: Dass jeder in unserer Gesellschaft mit seinem Talent zur Blüte kommt. Seien es jetzt Flüchtlinge oder Kinder aus der Unterschicht. Wenn man in die Hauptschulen geht, sieht man, wie viele Chancen da vergeben werden. Kinder, die hochtalentiert sind, aber zuhause einfach nicht gefördert werden. Unser Reichtum besteht doch schließlich in der schöpferischen Kraft unserer Gesellschaft. Die meisten Erfindungen macht man, bis man 25 Jahre alt ist. Das war bei mir auch so: Als wir die Stunksitzung gemacht haben, war ich 24 Jahre alt. So ein Quatsch ist mir danach nicht mehr eingefallen (lacht).

Gibt es eigentlich Dinge, über die Sie keine Witze machen würden?

Becker Ja. Über Naturkatastrophen und körperliche Gebrechen zum Beispiel. Im Moment wird auch viel über den Islam diskutiert, bei dem es das Bilderverbot gibt. Da halte ich mich dran. Wir haben Kabarett in der Moschee gemacht, das war wirklich toll und da war auch viel möglich. Aber Bilder von Mohammed habe ich nicht gezeigt. Immer, wenn es soweit war, habe ich einen Mann mit Turban gezeigt. Darunter stand: "Herbert Koslowski, Name von der Redaktion geändert". So kann man sich drüber lustig machen und trotzdem dran halten.

Das Gespräch führte Ludwig Krause.

(RP)
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