Goch Das langsame Ende der Taubenzüchter

Goch · In diesen Tagen beginnt die Flugsaison, doch nie zuvor waren so wenige Taubenzüchter daran beteiligt. Erst Ende des vergangenen Jahres löste sich ein weiterer Gocher Verein auf. 1993 gab es noch sieben, heute zwei.

 Wenn Franz van Wells Befürchtung eintrifft, werden solche spektakulären Bilder vom Auflass in Zukunft deutlich seltener zu sehen sein.

Wenn Franz van Wells Befürchtung eintrifft, werden solche spektakulären Bilder vom Auflass in Zukunft deutlich seltener zu sehen sein.

Foto: PRIVAT

Wer Franz van Well erreichen möchte, muss entweder Geduld oder Glück haben. Denn das umtriebige Gocher Urgestein ist nicht nur als Stadtführer, Geschichtsexperte oder für den Heimatverein aktiv, sondern überdies auch noch Mitglied im Taubenverein "zur friedenseiche". "Die Kleinschreibung des Namens ist wichtig", sagt van Well mit dem für ihn typischen Humor. "Die ist durch einen Fehler bei der Registrierung beim Deutschen Brieftaubenverband entstanden und seitdem unser ganzer Stolz."

Weit weniger feierlich ist van Well allerdings zumute, wenn er daran denkt, wie sich die Geschicke der Taubenzüchter seit der Vereinsgründung im Jahr 1960 entwickelt haben. "Es ist sehr schade, dass es immer weniger von uns gibt, denn die Taubenzucht ist eine wunderschöne Tradition", sagt van Well und erzählt, wie er dazu kam: "Als ich sieben Jahre alt war, hatte sich eine Ziertaube in den Hühnerstall meines Vaters verflogen und ging dann einfach nicht mehr weg. Weil ich so begeistert von dem Tier war, nagelte mein Vater irgendwann kurzerhand eine alte Nachtkonsole an die Wand und fertig war das Taubenhaus", erinnert sich van Well. Die weiteren Schritte Richtung Taubenzucht erfolgten bei einem Nachbarn, der einen richtigen Schlag betrieb. Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr, 1969, ging es dann richtig los für den heute 68-Jährigen. Aktuell hält er "hobbymäßig" noch 28 Tauben im "Mini-Taubenschlag" Marke Eigenbau im Garten.

In diesen Tagen beginnt wieder die Flugsaison und das bedeutet für die Taubenzüchter, dass regelmäßig Wettbewerbe anstehen. Van Well: "Von Frühjahr bis Herbst wird eigentlich jede Woche geflogen." Doch gerade in den letzten Jahren ist die Zahl jener, die ebenfalls aktiv am Taubensport mitwirken, stetig gesunken. Allein in Goch gab es im Jahr 1993 sieben Taubenzuchtvereine. Heute gibt es noch zwei. Den Verein Bergbote in Pfalzdorf und den Verein "zur friedenseiche". "Ende des vergangenen Jahres hat sich der Verein Niersbote aufgelöst, weil sie keinen Vorsitzenden mehr gefunden haben", berichtet van Well. Das sorgte zwar für einen Mitgliederschub bei "zur friedenseiche" (von neun auf 18 Mitglieder), doch davon lässt sich van Well nicht blenden: "Wenn das so weiter geht, sind die Taubenzüchter hier vor Ort bald an einer Hand abzuzählen."

Gestützt wird die düstere Prognose von weiteren Zahlen. Im Jahr 2009 entstand die Reisevereinigung (RV) Goch-Kleve-Kranenburg als übergeordneter Zusammenschluss der Taubenzuchtvereine. Damals steckten zehn Vereine dahinter, drei aus Goch, sieben aus dem Klever Gebiet. Die Mitgliederzahl lag insgesamt bei 70 bis 75 Personen. Mittlerweile gibt es in der RV Goch-Kleve-Kranenburg noch sieben organisierte Vereine, zwei aus Goch, fünf aus Kleve. Gesamt-Mitgliederzahl: knapp 50. "Man muss das ganz nüchtern sehen", sagt van Well, "der Nachwuchs lässt sich einfach nicht mehr für die Taubenzucht begeistern. Und spätestens wenn die anderen Täubchen auftauchen, ist es vorbei mit dem Interesse", so van Well mit Blick auf pubertätsbedingt verschobene Lebensschwerpunkte männlicher Jugendlicher.

Hinzu komme, dass die Taubenhaltung und -zucht eine ebenso aufwändige wie kostspielige Freizeitbeschäftigung sei. "Wenn man sich mehr damit beschäftigt, muss man einiges berücksichtigen", weiß van Well und spricht damit nicht nur die Grund-Investitionen, sondern vor allem auch die laufenden Kosten an. Neben dem Futter zählen dazu unter anderem die vorgeschriebenen regelmäßigen Impfungen und natürlich die jeweiligen Einsatzkosten beim Wettbewerb.

Darüber hinaus müsse man sich auch darüber informieren, in wie fern die Errichtung eines Taubenschlags mit dem Gesetz und den Nachbarn vereinbar ist, so van Well, der lange Zeit im Gocher Rathaus als Leiter des Bauamts aktiv war und somit weiß, was erlaubt ist und was nicht. Da wundert es nicht, dass die Zahl der Züchter seit Jahren rückläufig und der Taubensport vom Aussterben bedroht ist.

(RP)
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