24. Mai 1993 in Goch Der Tag, an dem die Kirche einstürzte

Goch · Am 24. Mai 1993 brach der Turm der Pfarrkirche Maria Magdalena in sich zusammen. Erst zehn Jahre später erhielt das Wahrzeichen eine neue Spitze. Nun, am 20. Jahrestag der Katastrophe, fehlt nur noch die Orgel zur Wiederherstellung.

 Erst am Donnerstag, 13. März 2003, wurde die neue – umstrittene – Spitze aufgesetzt.

Erst am Donnerstag, 13. März 2003, wurde die neue – umstrittene – Spitze aufgesetzt.

Foto: EVERS

Zwei Jahrzehnte später noch weiß fast jeder Gocher, was er gemacht hat an jenem Tag. Am 24. Mai 1993, dem Tag, an dem frühmorgens um 2.27 Uhr der Kirchturm von St. Maria-Magdalena in Goch einstürzte. Anwohner, wachgeworden ob des Getöses, blickten hinaus und sahen nichts. Gar nichts. So dicht die Staubwolke, so undurchdringlich, dass manche sie für dichten Nebel hielten.

Erst mal gar nichts sah auch Pastor Johannes Baptist Ludes. Dass er im Schlafzimmer des Pfarrhauses gleich nebenan überlebte, dass überhaupt alle Anwohner überlebten — das größte Glück und ein kleines Wunder in der Arnold-Janssen-Stadt Goch. Ludes sah, als er etwas sehen konnte, die Spitze des Kirchturms kaum drei Meter entfernt von seinem Bett. Draußen hinterm Pfarrhaus auf dem schmalen Streifen zwischen Haus und Niers.

Noch am Abend zuvor war Maria-Magdalena rappelvoll gewesen. Gottesdienst mit den Steylern, großer Andrang. Da hielt der Turm noch, irgendwie. Niemand sah, wie er in sich zusammensackte. Nicht umstürzte. Wäre er zu einer Seite gekippt — es hätte viele Tote gegeben. Wäre er auf die Kirche gefallen — "sie wäre wohl komplett zerstört worden", sagt Günter Hoebertz, "Nach-Nachfolger" von Johannes B. Ludes.

Nach Ludes kam Pastor Gerhard Hendricks. Er war es auch, der am 24. Mai vor zehn Jahren den neuen Kirchturm einweihte. Den Turm, um den es ob seiner Gestaltung so leidenschaftliche Auseinandersetzungen gegeben hatte zwischen denen, die "so wie früher" bauen wollten und denen, die die (sich durchsetzende) Auffassung vertraten, man müsse dem neuen Turm ansehen, wann er gebaut worden sei, am Ende des 20. Jahrhunderts nämlich.

Der Plan von Heinz Wrede erhielt den Zuschlag. Das aber war nicht mal die halbe Miete. Thema Geld: 6,7 Millionen Mark mussten zum Wiederaufbau des Turmes zusammenkommen. Und: Das gelang. Drei neue Fenster, zwei Engel für die Pfeiler der erneuerten Orgelempore, die Luzia für den Kirchenchor, die Wiederherstellung des Josefsaltars als Mosaik, eine andere "Nachfolge" für das sogenannte Gocher Fenster, eine komplett neue Stufenanlage: Die Liste ist lang und längst nicht abschließend.

"Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist der Bau der neuen Orgel", so Günter Hoebertz. "Dann sind wirklich alle Folgen des Kirchturmeinsturzes von 1993 beseitigt." Dabei gelte wie all die Jahre nach dem Einsturz bei den vielen Reparaturen, dass die Arbeiten erst beginnen, wenn der größte Teil des benötigten Geldes zusammen ist.

Die leere Orgelempore mit dem — gelinde gesagt: provisorischen elektronischen Platzhalter, der auch Geräusche macht, immerhin: In der Tat ist das die letzte klaffende Lücke, die letzte Spur des Turmeinsturzes vor 20 Jahren. Gut 300.000 Euro sind auf den Spendenkonten. Noch 40.000, dann ist "Bergfest", denn 680.000 Euro wird sie kosten, die neue Orgel für Maria-Magdalena.

Dass sie Jahrhunderte halten wird — dafür soll die Konstruktionsweise des neuen Turms sorgen. Der hat nicht nur einen Schwingungsausgleich fürs Geläut, sondern ist gar nicht mehr fest mit der Kirche verbunden. Es gibt, von Holz verschalt und kaum sichtbar, einen winzigen Spalt zwischen Turm und Gotteshaus. Theoretisch, so Hoebertz, könne man von oben in diesem Spalt ein Blatt Papier bis auf den Erdboden hinunterrutschen lassen.

Die Bauweise — eine der Folgen nach der langen Ursachenforschung. Letztlich sei es wohl ein Zusammenspiel unglücklicher Umstände gewesen, so Experten seinerzeit. Hoebertz: "Das wichtigste: Letztlich war es ein Riesen-Glück. Ein Glück, dass trotz dieses gewaltigen Ereignisses kein Mensch zu Schaden kam."

(RP/rl/anch/top)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort