Goch/Kevelaer Domspatzen eine Nacht lang Gocher

Goch/Kevelaer · Man muss in der Kirchenmusik nicht allzu bewandert sein, um die "Regensburger Domspatzen" zu kennen. Der Knabenchor gastierte jetzt in Kevelaer, die Sänger wurden in Gastfamilien auch in Nachbarorten untergebracht.

Schon im Frühjahr stand fest, dass ein halbes Jahr später 60 junge Sänger in Kevelaer und Umgebung untergebracht werden müssten - der Konzertchor der "Regensburger Domspatzen" hatte sich für das letzte Wochenende der Wallfahrtssaison angekündigt. Die "Knaben", wie sie nicht nur in ihrer niederbayerischen Heimat genannt werden, gehen in jedem Jahr auf Konzertreise, deutschlandweit und international. Diesmal war die Basilika der Ort, an dem das anderthalbstündige Programm dem begeisterten Publikum vorgestellt wurde. Einige Werke der polnischen und tschechischen Komponisten aus verschiedenen Jahrhunderten waren den Zuhörern fremd, andere wie Bruckners "Locus iste" hat jeder Freund der Kirchenmusik schon häufig gehört. Allerdings nicht unbedingt vierstimmig und von so klaren, jungen Stimmen.

Schon lange vor dem Konzert hatten Passanten die Chance, mal kurz reinzuhören in das, was am Abend aufgeführt wurde. Bei einer Stellprobe, bei der auch Kevelaers Chordirektor Romano Giefer anwesend war, ließ Domkapellmeister Prof. Roland Büchner schon mal einige Takte ansingen, wobei er dynamisch in der Basilika hin und her eilte, um den Klang aus allen Winkeln des Gotteshauses zu beurteilen und seine jungen Künstler optimal zu positionieren. Die "Domspatzen" waren zu diesem Zeitpunkt Jungs in Jeans und Pullover, Rucksäcke, Koffer und Kleidersäcke lagen zwischen den Bänken und vor dem Altarraum. Denn nach der kurzen Probe erfuhren die elf- bis 18jährigen Sänger, wo sie die Stunden bis zum Abend und die Nacht verbringen würden - bei Gasteltern in Kevelaer und anderen nahen Orten.

Der zwölfjährige Thomas und der 13-jährige Lukas zum Beispiel logierten in Goch. Und freuten sich nicht zuletzt an den vielen landwirtschaftlichen Maschinen, die sie unterwegs zu sehen bekamen. Denn Lukas und Thomas stammen beide vom Bauernhof, der eine aus dem Raum Nürnberg, der andere aus dem Bayerischen Wald. Auf den Feldern im Flachland sind besonders große Fendt, John Deere und Co. Im Einsatz - ein Thema, für das sich die Jungs sofort begeisterten. Zum Missfallen des Gastgeber-Kindes, das lieber über Fußball und Basketball gesprochen hätte.

Aber ein Sängerknabe darf schon ein wenig anders sein - übrigens auch, was den Musikgeschmack angelangt. Von Johannes Oerding haben die beiden noch nie gehört, Andreas Bourani gefällt ihnen nicht. Lukas mag grundsätzlich keine Unterhaltungsmusik, Thomas kann sich außer für den Chor nur für Blasmusik erwärmen, die er zuhause mit der Familie macht. Das Gocher Kind staunt. Noch mehr übrigens darüber, dass die jungen Gäste nicht einmal eine Meinung zu seinen Lieblings-TV-Serien haben. "Wir haben im Internat keine Fernseher auf den Zimmern, dürfen nur ab und zu miteinander einen Film sehen", erklärt Lukas. Was sie denn sonst so abends machen? "Wenn nach Proben und Hausaufgaben noch Zeit bleibt, schwimmen wir oder spielen Karten", sagt Thomas.

Täglich anderthalb Stunden Chorprobe, dazu Stimmbildung, ein Instrument, das geübt werden muss, und natürlich der Unterrichtsstoff, den Gymnasiasten zu bewältigen haben, füllen die Tage der Jungen absolut aus. Fast alle sind Internatsschüler, kommen nur in den Ferien nach Hause. Denn sonntags sind sie für den liturgischen Dienst im Regensburger Dom zuständig - das ist seit über 100 Jahren so. Weltberühmt ist der Chor seit etwa 1930, 30 Jahre lang leitete ihn Georg Ratzinger, Bruder von Papst Benedikt XVI. Sein Nachfolger wurde 1994 Roland Büchner, dessen Leistung deutlich wird, wenn man sich vorstellt, dass keinesfalls nur singende Kinderstars bei den Domspatzen willkommen sind. Vielmehr geht Büchner davon aus, dass die Freude am Singen, gepaart mit viel Üben, genügt, um dabeisein zu können. Wer in den Konzertchor aufsteigen möchte, muss natürlich vorsingen und überzeugen. Thomas und Lukas sind mit Leidenschaft bei der Sache und sind schon ein wenig traurig, wenn sie daran denken, dass sie in zwei, drei Jahren eine längere Pause machen müssen. Der Stimmbruch macht aus den hellen Knabenstimmen Kandidaten für den Männerchor. Zwischendurch heißen die Jungs "Mutanten", was ziemlich gruselig klingt, wie das Gastgeber-Kind befand.

(RP)
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