Goch Für fast jeden eine Lehrstelle

Goch · Hauptschule gleich Perspektivlosigkeit? Die Gustav-Adolf-Schule in Goch hat mit ihrem Jahrespraktikum vom Start weg gezeigt, dass der vermeintliche Teufelskreis mit Engagement durchbrochen werden kann.

Aus Minus wird Plus! Ein Vergleich nur, der Bände spricht und alles erklärt. Vor drei Jahren, erinnert sich Gustav-Adolf-Lehrerin Margarete Scholten, habe es in einer 10 A-Abgangsklasse einen Schüler gegeben, der Aussicht auf eine Lehrstelle gehabt habe. Dieses Jahr sei es nur ein Schüler ohne konkrete Aussicht auf einen Ausbildungsvertrag.

Das ist, leicht vereinfacht, der unglaubliche — aber nachweisbare Erfolg eines Projektes, das die Gocher Hauptschule unter der Regie ihres Leiters Franz van Beek seit Beginn dieses Schuljahres verfolgt, das Margarete Scholten und Jürgen van de Sandt als Klassenlehrerin und Klassenlehrer konsequent umgesetzt haben. Franz van Beek: "Wir haben gemeinsam das Projekt ,Jahrespraktikum' auf den Weg gebracht. Kernpunkt: Es gibt nicht die üblichen Praktika von zwei Wochen. Die Schülerinnen und Schüler sind während des ganzen Schuljahres Donnerstag für Donnerstag in einem Betrieb.”

Chance genutzt

Die Schüler nutzten, ganz offensichtlich die Chance, sich zu beweisen. Zu zeigen, dass sie, obwohl sie "nur” von der Hauptschule kommen, was drauf haben. Und die Unternehmen, fast alle in Goch, berichteten auch von positiven Erfahrungen — obwohl nichts geschönt wurde: Jürgen van de Sandt: "Sie haben auf den von uns entwickelten Beurteilungsbögen detailliert die Schüler beurteilt.”

Resultat: In den allermeisten Fällen "passte” es, wurden künftige Azubis rekrutiert, buchstäblich von der Schulbank weg. Margarete Scholten: "Und das sind Hauptschüler. Genau die, die bei normalen Bewerbungsverfahren gleich hintenan stehen, weil sie nicht von der Realschule und nicht vom Gymnasium kommen.” Die Chance kriegen, die sonst gar keine würde! Dass die Schüler das ernst nahmen, dass sie sich voll einbrachten in den Betrieben, konnten van de Sandt und Scholten das Jahr über deutlich spüren. Freitags, nach dem "Betriebs-Tag”, waren die Schüler meist so kaputt, dass sie für den "normalen” Unterricht heftig motiviert werden mussten.

Und was sagen die Unternehmer? Franz van Beek: "Die Rückmeldungen, auch von den anfänglichen Skeptikern, sind durchweg positiv!” Das liegt auf der Hand: Ein ganzes Jahr lang den potenziellen künftigen Auszubildenden kennen lernen, seine Fähigkeiten und Talente ausloten, zugleich testen, ob er in den Betrieb passt — das gab's in dieser Form bislang so gut wie nirgendwo.

Das Ergebnis: Viele Ausbildungs-Zusagen — oder konkrete Entscheidungen, bestimmte Schulabschlüsse dranzuhängen, weil der Berufswunsch (Margarete Scholten: "beispielsweise Kindergärtnerin oder Altenpflegerin”) nunmehr klar ist. Für jeden zweiten Schüler steht nicht nur der künftige Beruf jetzt schon fest, sondern auch der künftige Ausbildungsbetrieb. 13 hängen noch ein Berufsgrundschuljahr dran, sieben werden die Berufsfachschule besuchen.

Die Hauptschule vermittelt Perspektiven. Straft alle (Vor-)Urteile Lügen. Wenn man's richtig angeht. Van Beek: "Ohne das persönliche Engagement meiner Kolleginnen und Kollegen hätte es so sicher nicht geklappt!”

(RP)
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