Goch Geschichte der Gocher Kneipen

Goch · In der aktuellen Ausgabe von "An Niers und Kendel" geht es unter anderem um die Erfolgsgeschichte Gocher Schenkstätten - und die Folgen für die Bevölkerung.

Geschichte der Gocher Kneipen
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Foto: An Niers und Kendel, Ausgabe 57

Ganz so fromm, wie das Titelbild der aktuellen Ausgabe der Historischen Zeitschrift für Stadt Goch und Umgebung vorgibt, geht es auf den weiteren 33 Seiten nicht immer zu. Im Gegenteil. Das Gemälde "Abendgebet in der blauen Kammer", das Josef van Brackel einst im Gocher Frauenhaus malte, feiert zwar in diesem Jahr 100. Geburtstag, wie Dieter Bullack ausführlich berichtet, doch im Gegensatz zu dem, was wenige Seiten später folgt, dürfte von "Feier" kaum die Rede sein. Denn da beschäftigt sich der ehemalige Gocher Stadtarchivar und jüngst mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnete Hans-Joachim Koepp mit den "Gaststätten und Schenkwirtschaften bis 1900" und wusste sich gegen Ende seines Textes nicht weiter zu helfen, als "Trinkfreudige Gocher" zur Kapitelüberschrift zu machen.

Doch ganz der Chronist beginnt Koepp mit dem ersten überlieferten Gasthaus "Zum Heiligen Geist" im Jahr 1349. Dabei handelte es sich aber wohl um eine soziale Einrichtung im eigentlichen Sinne des Begriffs "sozial". Hier fanden "Reisende, Wallfahrer, Pilger, Wanderprediger, Saisonarbeiter, Kranke, Waise, Arme und Alte Aufnahme und Pflege", schreibt Koepp und ergänzt: "Der Begriff des ,Gasthauses' war damit früher als wesentlich umfassender anzusehen." Allerdings: "Im Gasthaus ,Zum Heiligen Geist' wurde auch Bier gebraut und ausgeschenkt; auch Reisende erhielten Unterkunft. Zudem fungierte das Gasthaus seit Beginn des 17. Jahrhunderts mehr und mehr als Waisenhaus."

Rund drei Jahrhunderte später waren Besuche in Gasthäusern und Schankstätten offenbar nichts mehr für sprichwörtliche Waisenknaben. Koepp: "1861 gab es in Goch 36 Gastwirtschaften. [...] Zusätzlich gab es 15 Kleinhandlungen mit Branntweinverkauf. Im Schnitt fiel auf je 138 Personen eine Schank-, bzw. Branntweinverkaufsstelle." Die zunehmende Trunksucht hatte mittlerweile derart ausufernde Zustände angenommen, dass die Polizei eingriff: "Die Gastwirte wurden angehalten, an amtlich bekannt gemachte Trunkenbolde, Betrunkene Zecher, die anschreiben ließen, und an Kinder keine Spirituosen mehr zu verabreichen", schreibt Koepp.

Wie drastisch sich der Alkoholkonsum in Goch binnen eines Jahrhunderts entwickelt hatte, belegt der Autor mit Zahlen: "1829 fiel in Goch auf 109 Einwohner eine Schenkwirtschaft, 1843 waren es bereits 150. [...] 1904 war das Verhältnis zu den Einwohnern sogar 1:222, das heißt, auf 222 Einwohner kam statistisch gesehen jeweils eine Gaststätte."

Doch nach den von Koepp geschilderten Maßnahmen beruhigte sich die Lage wieder und die Gocher Bevölkerung konzentrierte sich fortan auf wichtigere Dinge als Alkohol.

Neben dieser lesenswerten Aufarbeitung präsentiert An Niers und Kendel in Heft 57 noch folgende Themen: "Von der Königlichen Postexpedition zum Kaiserlichen Postamt in Goch. Geschichte der Gocher Post von 1821 bis 1945", "Die Rückkehr des Apothekerschildes", "125 Jahre Evangelischer Kirchenchor", "Kolonialwarenhandlungen mit exotischen Waren in Goch und Umgebung" sowie den eingangs erwähnten Bericht über van Brackels "Fünf betende Frauen im Gocher Frauenhaus".

Erhältlich ist Ausgabe "An Niers und Kendel" für 2,50 Euro beim Heimatverein Goch.

(RP)
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