Goch Katholische Internate in der Krise ?

Goch · Die Ausbildungsqualität kirchlicher Internate hat einen guten Ruf. Dennoch melden sich derzeit dort nur wenige Fünftklässler an. Am bischöflichen Gymnasium Collegium Augustinianum Gaesdonck haben die Schüler bereits eine eigene Firma gegründet, um Geld für neue Stipendien zu verdienen.

 Die Gaesdonck-Schüler Anna Oppenhorst, Sven Sass und Tobias Aymanns (v.l.) versuchen, mit dem Verdienst der Firma "Schüler für Schüler" Stipendien für neue Internatsschüler zu finanzieren.

Die Gaesdonck-Schüler Anna Oppenhorst, Sven Sass und Tobias Aymanns (v.l.) versuchen, mit dem Verdienst der Firma "Schüler für Schüler" Stipendien für neue Internatsschüler zu finanzieren.

Foto: Evers

Wenn Oberstudiendirektor Hans-Georg Steiffert, Direktor des bischöflichen Gymnasiums Collegium Augustinianum Gaesdonck bei Goch, über "seine Schule" berichtet, ist Stolz unüberhörbar. Stolz auf die Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Stolz auf ehemalige Absolventen wie den heiliggesprochenen Gründer der Steyler Missionare, Arnold Janssen. Stolz auf das breite Angebot der "Gaesdonck", an der Schüler das Abitur machen und zudem die hauseigene Kunst- und Musikschule sowie die Junior Business School besuchen können. Stolz auf christlich-soziale Werte, die vermittelt werden. Und vor allem der Stolz auf das Internat. Der Direktor betont: "Ohne das Internat wäre Gaesdonck gar nicht denkbar."

Herausforderungen

Doch gerade um die Zukunft des Internats macht sich der Oberstudiendirektor Sorgen — oder wie er es ausdrückt: "Das Internat steht vor großen Herausforderungen." Zum einen gibt das Bistum aufgrund geringerer Kirchensteuereinnahmen nicht mehr genug Zuschüsse für Stipendien. Zum Ausgleich wurde eine Stiftung gegründet. Dennoch ist es laut Hans-Georg Steiffert schwer, so vielen Schülern wie bisher einen Nachlass auf die monatliche Gebühr von 1250 Euro (darin ist alles enthalten, vom Unterricht übers Essen bis zu Freizeitaktivitäten und Hausaufgabenbetreuung) zu gewähren. "Wir wollen aber kein Internat nur für Besserverdienende sein", sagt der Schuldirektor und geht noch weiter. Könne in Gaesdonck der "soziale Mix" nicht erhalten werden, stelle sich angesichts der christlichen Orientierung die Frage der Existenzberechtigung.

Auch die Schülerschaft hat auf die Lage reagiert. Sie gründete die Firma "Schüler für Schüler". Mit Dienstleistungen — Führungen durch die Gaesdonck, Konzerte der Big Band, aber auch die Entwicklung von Vermarktungsstrategien für neue Produkte von Firmen — soll Geld für neue Stipendien verdient werden. "Einerseits wollen wir für das, was wir hier bekommen haben, etwas zurückgeben, den Erhalt der Schule und des Internats sichern und verhindern, dass in zehn Jahren nur Eltern mit dickem Geldbeutel ihre Kindern zur Gaesdonck schicken können. Andererseits gewinnen wir Einblicke in Bereiche, in denen wir eventuell beruflich tätig werden", sagt Tobias Aymanns (17), Schüler der 12. Klasse und "Schüler für Schüler"-Geschäftsführer.

Fehlendes Geld für Stipendien — das ist nur eine der Herausforderung, vor der das Internat steht. Eine zweite liegt darin, dass die Anmeldezahlen von Fünftklässlern fürs Internat stark zurückgegangen sind. Waren es früher etwa zehn, so sind es nun nur noch rund fünf. Insgesamt zählt das Vollzeit-Internat der Gaesdonck etwa 170 Schüler.

Während Internatsplätze in Großbritannien bei deutschen Eltern heiß begehrt sind, hat nicht nur Gaesdonck Nachwuchssorgen. Der Trend ist bei den wenigen katholischen Internaten, die es in NRW noch gibt, durchgehend erkennbar. Lediglich zwei, drei Anmeldungen für die 5. Klasse gibt es am Johanneum in Ostbeveren, in dem 110 Schüler wohnen. Im Aloisiuskolleg in Bad Godesberg bei Bonn gab es 2010 fünf Anmeldungen von Fünftklässler für das Internat (insgesamt etwa 325 Schüler). Für das Internat am Franziskus-Gymnasium in Hürtgenwald gab es bis nach den Sommerferien 2010 keine Anmeldung für die 5. Klasse. Vier Anfragen wurden ohne Angabe von Gründen zurückgezogen.

Nachwuchssorgen

Für Pater Daniel, Leiter des Franziskus-Internats, liegt ein Grund auf der Hand: die Missbrauchsfälle an katholischen Schulen, die im vergangenen Jahr bekannt wurden. Auch der Leiter des Johanneum in Ostbeveren, Konrad von der Beeke, ist überzeugt, dass die Skandale viele Eltern abgehalten hätten, vor allem ihre kleinen Kinder an einem kirchlichen Internat anzumelden.

Die Direktoren der Internate sind jedoch überzeugt, dass noch weitere Faktoren zu den Nachwuchssorgen führen. Nach Ansicht des Leiters des Aloisius-Kollegs in Bad Godesberg spielen auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle — vor allem bei Internaten, die stark an die Vermittlung von Schüler durch die Jugendämter gebunden seien. Konrad von der Beeke sieht in den zunehmenden Ganztags-Betreuungsangeboten eine Konkurrenz. Gaesdonck-Direktor Hans-Georg Steiffert vermutet, immer mehr Eltern hielten ihren Nachwuchs im Alter von etwa zehn Jahren noch nicht für reif genug, in einem Internat zu leben. Zudem würden "Ein-Kind-Familien" immer zahlreicher, und viele Eltern würden ihr einziges Kind lieber zu Hause erziehen. Herausforderungen, die katholische Internate meistern müssten, wenn sie Bestand haben wollten.

(RP)
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