Goch Museum Goch zeigt Fotos aus dem Krieg

Goch · Die international renommierte Fotografin Anja Niedringhaus wurde 2014 bei der Arbeit erschossen. Die Ausstellung "Geliebtes Afghanistan" zeigt, was der Krieg mit dem Alltag der Menschen macht. Eröffnung diesmal "privat".

 Irrsinn, Zynismus oder ein rührender Versuch, die Kriegsrealität für Momente zu unterbrechen? Berühmt ist zum Beispiel dieses Niedringhaus-Foto aus dem Irak.

Irrsinn, Zynismus oder ein rührender Versuch, die Kriegsrealität für Momente zu unterbrechen? Berühmt ist zum Beispiel dieses Niedringhaus-Foto aus dem Irak.

Foto: Gottfried Evers

Für das Zeigen von Bildern zahlt das Museum üblicherweise nichts. Sammler oder Galeristen stellen die Werke zur Verfügung, um den Künstler bekannter zu machen und seine Arbeiten - vielleicht - besser verkaufen zu können. Diesmal ist es anders: Die 40 Fotos der in Afghanistan ermordeten Fotojournalistin Anja Niedringhaus, die das Museum Goch ab sofort zeigt, sind Eigentum der Presseagentur AP, die die Bilder nur gegen Entgelt ausleiht. Weil das Thema aber sehr gut in die Ausrichtung des Gocher Museums passt, hat sich Direktor Dr. Stephan Mann Sponsoren gesucht. Barbara Baratie und Gabriele Coché-Schüer vom Unternehmerinnen-Forum Niederrhein ließen sich gerne ins Boot holen, ebenso die Verbandssparkasse und die Stadtwerke Goch. Anders als sonst wird die Ausstellungseröffnung im privaten Rahmen begangen, ist praktisch ein turnusgemäßes Treffen der Unternehmerinnen, die sich dazu noch die afghanisch-stämmige Buchautorin Nadia Qani und ein passendes Musikertrio einladen.

Abgesehen von diesem einen Abend sind Interessierte natürlich stets willkommen. Mann hofft auf möglichst viele Besucher, denn wie immer möchte er die Diskussion über zeitgenössische Themen in sein Haus holen. Durch die Vielzahl der Flüchtlinge, die inzwischen unter uns leben, komme niemand umhin, sich mit fremden Kulturen und den Gründen für Migration auseinanderzusetzen. Gerne dürfen auch die Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, ins Museum kommen, wenn sie vor der Erinnerung an ähnliche Erfahrungen, wie sie Niedringhaus in Fotos festgehalten hat, nicht zurückschrecken.

Die Bilder, die auch schon im Willy-Brandt-Haus in Berlin und einigen Museen gezeigt wurden, zeigen die Gewalt und den Terror des Krieges (auch im Irak), aber auch verschiedenste Aspekte des Alltags in Krisenzeiten. Sie sind zumeist einige Jahre alt; Wesentliches hat sich seit damals aber nicht verändert. Frieden und Demokratisierung stehen in dem von Taliban terrorisierten Land nach wie vor aus - im Vorfeld der ersten Präsidentschaftswahl war Anja Niedringhaus im April 2014 erschossen worden. Spätestens seit diesem Anschlag ist ihr Name einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

Wann ist ein Fotograf ein Künstler? Für den Gocher Museumsleiter dann, wenn seine Bilder über den aktuellen Anlass hinaus wirken, sich etablieren, für etwas stehen. "Zur informativen Reportage muss die Ästhetik, vielleicht die Schönheit kommen." In den Fotoserien von Niedringhaus zeigt sich der Schrecken des Krieges, aber es gibt auch Raum für den Alltag der Menschen, die Normalität oft nie erlebt haben. Seit der sowjetischen Invasion 1979, begleitet vom Widerstand der Mudschahedin, ist das Land nicht zur Ruhe gekommen. Der Bürgerkrieg dauert an, Angriffe von Extremisten erschüttern Afhanistan weiterhin.

Dennoch heißt die Ausstellung "Geliebtes Afghanistan", denn für die Fotografin aus Ostwestfalen war das zentralasiatische Land fast eine zweite Heimat. Sie tat dort nicht nur ihre Arbeit, die sie mehrfach in Lebensgefahr brachte, sie lebte auch monatelang mit den Menschen. Niedringhaus war dabei, wenn schwerbewaffnete Soldaten sich in einem Wohnzimmer vor den Einweckgläsern der Familie postierten, wenn Kinder in den Trümmern von Häusern schaukelten, wenn Jungs in langen islamischen Gewändern Fußball spielten und Mädchen konzentriert lasen und lernten, obwohl die Taliban Bildung für sie eigentlich nicht vorsehen. "Wählen ist das Recht von Männern und Frauen", steht auf einer Wand, die Anja Niedringhaus noch fotografiert hat, bevor sie im Wahlkampf ermordet wurde. Sie war in einem Wagenkonvoi unterwegs, um über die Präsidentschaftswahl zu berichten. Der junge Soldat, der sie tötete, soll aus Rache dafür gehandelt haben, dass Familienmitglieder bei einem NATO-Bombardement umkamen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort