Goch "Nicht schießen" ist das Hauptziel der Polizei

Goch · Beamte üben nicht nur in der Ausbildung intensiv das Verhalten in Bedrohungslagen. Gewerkschafter loben das Niveau des Trainings. Im Ernstfall müsse in Sekundenbruchteilen entschieden werden.

Angreifer mit Messer von Polizei erschossen
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Angreifer mit Messer von Polizei erschossen

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"Sehr betroffen" ist Arnold Plickert, Landesvorsitzender der in NRW 37.000 Mitglieder zählenden Gewerkschaft der Polizei (GdP), über die Ereignisse im Gocher Stadtpark. Dort hatte einen Tag zuvor ein Polizeibeamter auf einen 37 Jahre alten Mann, der den Beamten zuvor mit einem Messer bedroht haben soll, drei Schüsse aus seiner Dienstwaffe abgefeuert - der 37-Jährige erlitt tödliche Verletzungen. Zwar kennt Arnold Plickert keine Details der Ermittlungen, kann sich aber vorstellen, wie es zum Schusswaffengebrauch kommen konnte. Wahrscheinlich hätten die Streifenbeamten den Bewaffneten mehrfach aufgefordert, sein Messer fallenzulassen. Wenn dieser der Aufforderung nicht gefolgt sei, hätte der "sichernde" Beamte, als die Gefahr für das eigene Leben und das seines Kollegen seiner Einschätzung nach zu groß geworden sei, die Entscheidung zum Schießen treffen müssen. "Messer sind nach Schusswaffen die gefährlichsten Waffen", sagt der GdP-Landesvorsitzende. Ein Schusswaffengebrauch sei bei einer direkten Konfrontation berechtigt.

Diese Einschätzung bestätigt Sebastian Fiedler, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft "Bund deutscher Kriminalbeamter" (BDK). "Mit einem Messer Bewaffnete können selbst am Boden liegend absolut gefährlich sein", versichert der Kriminalbeamte. Da es in Goch wahrscheinlich erst zum Schusswaffengebrauch gekommen sei, als der 37-Jährige den Beamten bereits sehr nahe gekommen war, ist laut Sebastian Fiedler nachvollziehbar, das drei Schüsse abgefeuert wurden. "Vielleicht war der Mann nach einem Schuss nicht kampfunfähig, sondern griff die Beamten weiter an", meint der BDK-Funktionär. Arnold Plickert versichert: "Polizisten gehen eher ein zu hohes Eigenrisiko ein, als dass sie auf einen Menschen schießen."

Grundsätzlich gilt bei der Ausbildung von Polizisten in Bezug auf den Gebrauch der Schusswaffe: "Nicht schießen." Nicht nur während der dreijährigen Ausbildung an Fachhochschulen trainieren künftige Beamte den Umgang mit den Dienstwaffen intensiv. Auch als diensttuende Polizisten müssen sie einmal im Jahr Schieß-Prüfungen ablegen. Dabei wird nicht nur auf Scheiben geschossen. Die Tests finden vielmehr in "Schießkinos" statt. Dort werden mit Hilfe von eingespielten Filmen alle denkbaren Bedrohungslagen simuliert - von der alltäglichen Kfz-Kontrolle, die unerwartet eskaliert, bis zum Amoklauf in einer Schule. Vor allem in den zwei regionalen Trainingszentren der Polizei, die es in NRW gibt, stehen laut Sebastian Fiedler "optimale Möglichkeiten" zur Verfügung.

Doch nicht jeder Polizist in NRW kann laut Arnold Plickert einmal im Jahr an den Schießübungen teilnehmen. "Wenn es Kapazitätsprobleme gibt, muss das Training von Streifenbeamten höchste Priorität bekommen", fordert der GdP-Landesvorsitzende. Schließlich würden laut Statistik 83 Prozent aller gewalttätigen Übergriffe auf Polizisten auf Streifenbeamte verübt.

Die Belastung der Beamten, die im Dienst einen anderen Menschen tödlich verletzt haben, ist in fast allen Fällen enorm. Deshalb ist eine unmittelbare psychologische Betreuung Standard. "Vor allem in den ersten 48 Stunden ist eine intensive Betreuung mit vielen Gesprächen nötig. Auch in diesem Bereich ist die Polizei aber gut aufgestellt", betont Arnold Plickert.

(RP)
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