Goch NSU Thema auf der Theaterbühne Goch

Goch · In Kooperation mit dem Land NRW zeigt die Kultourbühne Goch das Stück "Schmerzliche Heimat" von Semiya Simsek.

 Das Westfälische Landestheater aus Castrop-Rauxel spielt das Stück "Schmerzliche Heimat".

Das Westfälische Landestheater aus Castrop-Rauxel spielt das Stück "Schmerzliche Heimat".

Foto: PRIVAT/Kultourbühne

Das Westfälische Landestheater aus Castrop-Rauxel zeigt am Dienstag, 8. Dezember, um 11 Uhr im Kastell eine Inszenierung der Familiengeschichte von Semiya Simsek, Tochter des NSU-Terroropfers Enver Simsek. Regisseur Christian Scholze hat ihr Buch "Schmerzliche Heimat" für die Bühne bearbeitet. Simsek schildert darin das Leben ihrer türkischen Familie in Deutschland und den Mord an ihrem Vater am 9. September 2000 in Nürnberg. Sie berichtet, wie das Verbrechen und die Ermittlungspannen ihr Vertrauen in Deutschland erschütterten. Aus ihren bitteren Erfahrungen formuliert sie einen vielbeachteten Appell an die Gesellschaft, Verantwortung für einander zu übernehmen.

Die Kultourbühne Goch konnte die Aufführung von "Schmerzliche Heimat" mit Unterstützung des Landes NRW kurzfristig in das Kulturprogramm der Stadt Goch aufnehmen. Das etwa 70-minütige Stück beginnt um 11 Uhr. Tickets für 3,50 Euro pro Stück gibt es bei der Kultourbühne im Rathaus (Telefon 02823 320202, E-Mail: kultourbuehne@goch.de) und online bei www.goch.de.

Zum Inhalt: Ein Blumenstand an einem Autobahnzubringer bei Nürnberg, es ist der 9. September 2000, ein Samstag. Enver Simsek hat aushilfsweise für einen Bekannten an diesem Wochenende den Straßenverkauf übernommen. Der Blumengroßhändler kehrt noch einmal zurück zu seinen Anfängen. Schon bald will er sich ganz aus diesem Geschäft zurückziehen und sich seiner Familie widmen. Seinen Großhandel hat er verkauft, er freut sich auf einen neuen Lebensabschnitt, auf den Lohn jahrelanger Arbeit. Als er zwischen 12.45 und 14.15 Uhr aus seinem Wagen etwas holen will, treten zwei Männer auf ihn zu und feuern neun Schüsse auf ihn ab.

Enver Simsek ist das erste Opfer der Terrorzelle NSU. 300 Kilometer entfernt wird in dieser Nacht seine Tochter Semiya in ihrem Internat aus dem Bett geholt. Sie versteht nicht, warum sie ihre Sachen packen soll. Den Pass nicht vergessen?

Mit ihrem Onkel fährt sie nach Nürnberg ins Krankenhaus. Noch bevor sie zu ihrem Vater kann, wird sie von der Polizei gefragt, ob er Waffen im Haus habe. Semiya ist zu durcheinander, um zu verstehen, was hier eigentlich von ihr erwartet wird.

Nun erzählt sie. Vom Leben ihres Vaters. Bis zu seinem Tod. Und von ihrem Leben, dem ihrer Mutter, ihres Onkels in den Jahren danach. Jahre, die geprägt waren von Beschuldigungen, Verdächtigungen, Zerstörungen durch die hilf- und orientierungslose Polizei, die Behörden, den Verfassungsschutz. All jene Institutionen, denen es nur darum ging, zu beweisen, dass die Familie in den Mord verwickelt war. Die Geschichte einer Familie in Deutschland. Opfer einer terroristischen rechtsextremen Vereinigung, Opfer deutscher Behörden. Was macht das mit einem Menschen? Mit einer Familie? Für Semiya Simsek bedeutet das, an uns alle zu appellieren, nicht alles hinzunehmen, uns unserer Verantwortung für die Gesellschaft bewusst zu sein. Mitzugestalten, damit keine Familie etwas Vergleichbares erleben muss. Gemeinsam, nur das kann die Lösung sein.

Semiya Simsek, geboren 1986, verfasste zusammen mit dem Journalisten Peter Schwarz ihre Erinnerungen an das Leben ihres Vaters und die Jahre nach seinem Tod. Auf der Gedenkveranstaltung für die Opfer der NSU-Morde am 23. Februar 2012 im Berliner Konzerthaus hielt sie eine stark beachtete Rede. 2013 erhielt sie den nach der französischen Frauenrechtlerin und Schriftstellerin benannten Olympe de Gouges-Preis.

(RP)
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